3.1 Brief Samek an Der Tag (verantw. Red. Hugo Bettauer)

Materialitätstyp:

  • Durchschlag

Sender

Oskar Samek
Schottenring
I., Innere Stadt
Datum: 18. Dezember 1922

Empfänger

An: den verantwortlichen Redakteur des „Tag“
Canisiusgasse 8
Wien IX.
Seite von 2

Unter Berufung auf den § 23 P.-G. ersuche ich, die folgendeBerichtigung des im „Tag“ Nr 22 vom 17. Dezember erschienenen,meinen Mandanten betreffenden Artikels: „‚Die letzte Nacht‘ vonKarl Kraus. Ein Streit um die Inszenierung“ zum Abdruck gelangenzu lassen: Es ist unwahr, dass „Die letzte Nacht“ zusammen mitFrank WedekindsSonnenspektrum“ in den Kammerspielen zur Aufführunggebracht werden sollte, dass die Proben bereits begonnen hatten,dass man fünf geschlossene Vorstellungen zugunsten der Rettungsge-sellschaft für geladene, das heisst subskribierende Gäste planteund dass die Probenarbeit aus dem Grunde plötzlich abgebrochen wurde, weil „der Schriftsteller Oskar Wiener“ Einspruch gegen dieInszenierung durch Forest erhob, da ihm der Autor seinerzeit dieBetrauung „mit einer allfälligen Bühneninszenierung von Teilen derLetzten Tage der Menschheit“ zugesagt habe. Wahr ist, dassDie letzte Nacht“ ohne ein anderes Stück in der Renaissancebühne aufgeführt werden sollte, dass noch keine Probe stattgefunden hat,dass die erste Aufführung als nichtöffentliche Vorstellung zugunstender Invaliden und Kriegsblinden geplant und dass Herrn RichardWiener seinerzeit die Betreuung mit einer allfälligen Inszenierungdes Epilogs und keines andern Teiles des Dramas zugesagt wurde.

Sie behaupten ferner, dass „sich Herr Forest ebenfalls aufeine Abmachung mit Karl Kraus beruft und auch noch ein diesbezüg-licher Vertrag mit den Kammerspielen geschlossen wurde“. Diese Tat-sachen sind soweit sie meinen Mandanten betreffen, unwahr. Wahr istvielmehr, dass von ihm mit Herrn Forest keine Abmachung getroffenund weder mit den Kammerspielen noch mit der Renaissancebühne eindiesbezüglicher Vertrag geschlossen wurde. Wahr ist, dass im Gegen-teil eine der Bedingungen für die Ueberlassung des Werkes dieBerücksichtigung der Herrn Wiener tatsächlich erteilten Zusage waroder die Einigung des ständigen Regisseurs mit Herrn Wiener. Wahrist, dass diese nach Mitteilung an den Autor bereits erfolgt istund dass aus dem gegenteiligen Grunde ein Abbruch der Probenarbeitselbst dann nicht erfolgt sein könnte, wenn diese schon begonnenhätte.

Eingelangt exped. am 18. DEZ. 1922r.m.R. K.