23.19 Antrag auf Abtretung des Aktes an das Strafbezirksgericht I Wien und Antragstellung auf Bestrafung des Beschuldigten gemäß § 30 Pr. G. ferner Vorlage des Aktes an die Staatsanwaltschaft Wien wegen eventuellen Einschreitens nach demselben § (Landesgericht für Strafsachen I Wien)

Materialitätstyp:

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Datum: 21. Dezember 1925
Seite von 2

Vr XXVI 7288/25

An dasLandesgericht in Strafsachen IWIEN.

Privatankläger: Karl Kraus, Schriftsteller inWien III. Hintere Zollamtsstrasse No. 3 durch:

Beschuldigter: Dr. Fritz Kaufmann, verantwortli-cher Schriftleiter der „Stunde“ in WienVIII. Piaristengasse 56

1 fach2 Beilagen inAbschrift.

Antrag auf Abtretung des Aktes an das Strafbezirksgericht I und Antragstellung auf Bestrafung des Beschuldigten gemäss§ 30 P.G. ferner Vorlage des Aktes an die Staatsanwaltschaft in Wien wegen eventuellen Einschreitens nach demselben §.

Da die Ergebnisse der Voruntersuchung vor-läufig keine Möglichkeit bitten, gegen einen bestimmtenTäter wegen Vergehens der Ehrenbeleidigung vorzugehen, be-antrage ich1. die Abtretung des Aktes an das Strafbezirksgericht I 2. Ausschreibung einer Verhandlung gegen den Beschul-digten Dr. Fritz Kaufmann wegen § 30 P.O. 3. Bestrafung des Beschuldigten,4. Veröffentlichung des Urteiles.5. Verfall

Wie aus den beiden in Abschrift vorgelegtenBriefen des Dr. Miksa Rosenberg in Budapest VII. Rakocziut 70 hervorgeht, ist weder gegen einen Dr. Miksa Rosenberg noch sonst gegen einen anderen Anwalt wegen des Versuchesder Beamtenbestechung zum Zwecke der Aktenbeschaffung einVerfahren anhängig gemacht worden. Es ergibt sich sohin,dass die in den beiden inkriminierten Zeitungsartikeln ge-machten Behauptungen nicht nur falsch, sondern auch erdich-tet waren, ferner waren diese nicht nur geeignet sondernhaben auch tatsächlich dazu geführt, mich der Gefahr einerbehördlichen Untersuchung auszusetzen, da ich von der Poli-zeidirektion Wien wegen dieser beiden Artikel eine Vorla-dung erhalten habe. Der Inhalt des 1. Artikels stellt dahernicht nur den Tatbestand einer Ehrenbeleidigung, sondernauch den einer Verleumdung dar und ich beantrage weiters,den Akt dem Pressestaatsanwalt vorzulegen, damit dieser dieAnklage gegen den verantwortlichen Schriftleiter der „StundeDr. Fritz Kaufmann wegen § 30 P.O. gleichfalls erhebt, dabei dem Umstande, dass der objektive Tatbestand eines Ver-brechens vorliegt, gemäss dieser Gesetzesstelle ein andererStrafsatz in Anwendung zu bringen wäre.

Karl Kraus.