67.11 Vernehmung des Beschuldigten Johann Hannak

Materialitätstyp:

  • Manuskript
Datum: 10. Mai 1927
Seite von 13

G.Z. 13Vr XXVI 2366/27

Vernehmung des Beschuldigten Landesger ./. Strafs. I am 10. Mai 1927 Beginn 14.10

gegenwärtig:R. Dr. Schima Sch. Salaquarda [Steno] Dr. Johann Hannak wg. E.B.Dr. Johann Hannak Eltern Hermann und Fanny [Steno] Gattin Martha geb. Lorenz 12.3.1892geb. Wien Wien altkath.verh.Redakteur d. Zeitschr. „Arb. u W.10. Arsenal Obj. 9 T/40Schulbilg. Universität Wien Einkom. 600 S mtPflicht zu sorg: Gattin Vorstrafen: angebl. unbescholten

Ich nehme zur Kenntnis, daßgegen mich wegen Vergehens gegendie Sicherheit der Ehre die Vor-untersuchung eingeleitet wird.

Ich bekenne mich nicht schuldig.Über die Frage werden im Heft 1der Zeitschrift „Arbeit und Wirtschaft“vom 1. Jänner 1927 auf Seite 32enthaltenen Artikel „Notizen„Ein Witz Kasmaders?“ verfaßt hat,gebe ich keine Auskunft. Übrigensist in diesem Fall bereits die Ver-jährung eingetreten. Ich lege dies-bezüglich eine von mir verfaßteAusführung meinem Protokollebei.

Auf der mir vorgewiesenenSchleife Bz. 8 habe ich die Adresseselbst geschrieben. Ich war auchderjenige, der das Heft 1 demPr.A. per Post zugesendet hat.Damit ist jedoch keineswegs be-wiesen, daß ich der Verfasser derbetreffenden inkriminierten

Notiz bin. Ich betone nochmals, daßich die Frage, ob ich der Verfasserder inkriminierten Notiz bin, derzeitweder bejahe noch verneine.

Den im Heft 4 der Zeitschrift„Arbeit u Wirtschaft“ vom 15.2.1927 erschienenen Artikel „Neutrale undandere Gegner“ habe ich selbstverfaßt.

Was nun den Wahrheitsbeweisbetrifft, so habe ich einen solchenfür die Notiz „Ein Witz Kasmadersmeines Erachtens überhaupt nichtzu erbringen, weil hier Verjährungvorliegt. Bezüglich des ArtikelsNeutrale und andere Gegnerhingegen behalte ich mir den Wahr-heitbeweis vor. Die meinem Proto-koll beigelegte Amtsführung ent-hält auch eine Beschwerde wegender vorgenommenen Haus-durchsuchung. Ich beantragedie Erledigung dieser Be-schwerde. V.g.g. Ende 14.45

Unterschrift

14Vr XXVI 2366/27Zu 5

Ich bringe die Rechtseinwendungder Verjährung vor:

1. Am Donnerstag den 28. v.M. ließ derKläger Karl Kraus, in meinem Büroin der Gewerkschaftskommission, WienI., Ebendorferstr. 7, eine Hausdurchsuchungvornehmen. Gegen die Hausdurchsu-chung erhebe ich Beschwerde und bitte,daß die Beschwerde an die Rats-kammer weitergeleitet werde.Nach § 139 St.P.O. kann eine Haus-durchsuchung nur dann vorge-nommen werden, wenn ge-gründeter Verdacht vorliegt, daßsich daselbst Gegenstände befinden,deren Besitz oder Besichtigung füreine bestimmte Untersuchung vonBedeutung sein könnte. Ein solchergegründeter Verdacht könnte nunkeineswegs vorliegen, weil dasbetreffende Manuscript, dessent-wegen die Hausdurchsuchung er-folgte, von einem Aufsatz stammt, dessen Erscheinen volle

4 Monate zurückliegt, dessent-wegen obendrein vom P.A. schon die Strafverfolgung desverantwortlichen Redakteurs restlosdurchgeführt worden war, so daßalso schon aus diesem Grundeein solches Manuscript kaumin der Lade des Redakteurs nochweiter aufbewahrt worden seindürfte. Einem in journalistischenDingen so erfahrenen Mannwie Herrn Karl Kraus müßte esvon vornherein klar sein, daßeine solche Hausdurchsuchungresultatlos bleiben werde undauch das Gericht konnte nichtdaran zweifeln, daß ein solcherZettel von relativ so unerheb-licher Bedeutung für eine großeZeitschrift doch nicht monatelangnoch nach dem Erscheinen in Druckin der Manuscriptenmappe liegenbleiben werde. Es ist also in derTat kein zureichender Grund

vorgelegen, eine Hausdurchsuchungzu bewilligen.

2. Aber ganz abgesehendavon, war im Zeitpunkt derHausdurchsuchng bereits objektiveVerjährung eingetreten. Nach § 532St.G. ist die Zeit der Verjährung,insoweit nicht in dem Gesetzbei Einzelfällen einer kürzerenFrist für die Geltendmachungdes Klagerechtes insbesondere fest-gesetzt ist, bei Vergehen undÜbertretungen, worauf ein Gesetzeals höchste Strafe Arrest des erstenGrades ohne Verschärfung oder eineGeldstrafe bis 600.000 K festgesetztist, 3 Monate. Nun ist die Strafefür Ehrenbeleidigungen durch diePresse nach § 493 St.G. Arrest von6 Monaten bis 1 Jahr, also eineStrafe ersten grades, daher auchfür diese Pressdelikte die Ver-jährungsfrist von 3 Monaten gilt.

Allerdings spricht der § 32 P.G. davon, daß Verjährung eintritt,wenn seit der Verbreitungim Inland 6 Monate ver-strichen sind, aber immer na-türlich unter der stillschweigen-den Vorausetzung daß nicht ineinem anderen Gesetz eine kürzere Frist festgesetzt ist. Vor allem aberspricht § 32 P.G. von der Verbreitung im Inland, hingegen § 532 St.G. von dem Veröffentlichen, also vondem Verfassen des Textes, von demBegehen der Tat. Herr Karl Kraus behauptet ja nicht, daß ichschuldig sei, die Zeitung, in derder von ihm angeklagte Artikel erschienen ist, verbreitet, kolpor-tiert zu haben, sondern er be-hauptet, daß ich den Artikelverfaßt geschrieben habe. Dafürgilt unter allen Umständendie normale dreimonatlicheVerjährungsfrist.

3. Herr Karl Kraus kann schließ-lich und endlich die Überschreitungder Verjährungsfrist nicht einmaldamit rechtfertigen, daß er etwabehauptet, ihm sei meine angeblicheAutorschaft erst in einem sospäten Zeitpunkt bekannt geworden,daß er die Klagsüberreichung nichtfrüher vornehmen konnte. § 530 St.G. spricht ausdrücklich davon, daß subjek-tive Verjährung eintritt, wenn derKläger nicht innerhalb 6 Wochen nachdemihn die strafbare Handlung (wohlge-merkt die strafbare Handlung und nicht der Autor) bekanntgewordenist, die Klage führt.

Der späteste Termin aber, an demHerr Karl Kraus zu seiner Mutmaßungdaß angeblich ich der Verfasserjener Stelle sei, hätte gelangenmüssen, war die Nr. 4 der„Arbeit u. Wirtschaft“ (wird beigelegt).In dieser Nr. 4 erschien ein vonmir gezeichneter Aufsatz,

der an einer Stelle auf HerrnKarl Kraus Bezug nimmt. Die Nr. 4 erschien pünktlich am 15. Feberund bei Herrn Karl Kraus, vondem es notorisch ist, daß er, sobalder einmal in irgendeinemPresseorgan angegriffen wordenist, jede weitere Nummer undweitere Zeile dieses Organs mitArgusaugen verfolgt, bei HerrnKarl Kraus ist es als selbstverständ-lich anzunehmen, daß er auchdiese Nummer 4 der „Arbeit u.Wirtschaft“ sofort nach ihrem Er-scheinen gelesen hat. Dafür ist eingeradezu schlüssiger Beweis zuerbringen. Denn sogleich nachdem Erscheinen der Nr. 4 hatmir Herr Karl Kraus durch seinenRechtsanwalt, Herrn Dr. Samek,nahelegen lassen, für dieangeblich in dem Aufsatz derNr. 4 enthaltene Beleidigung

eine Ehrenerklärung zu geben. HerrKarl Kraus hat also diese Nr. 4 unterallen Umständen gelesen, und soist es erwiesen, daß er auch seitdem 15. Feber mehr als 6 Wochenverstreichen ließ, ohne die An-klage gegen mich als den an-geblichen, von ihm vermutetenVerfasser der Notiz in Nr. 1 zu er-heben. Der Verdacht ist nicht vonder Hand zu weisen, daß HerrKarl Kraus sich erst dann entschloß,mich wegen der Nr. 1 zu klagen,als ich ihm die Ehrenerklärungwegen der Nr. 4 verweigerte.Daß sich Herr Karl Kraus die Sacheerst so spät überlegt hat, hätteich selbst dann nicht zu verant-worten, wenn ich bereit wäre,eine Aussage darüber zu machen,wer der Verfasser jener Notizin Nr. 1 gewesen ist.

Ich erhebe also die Einrededer objektiven und subjektivenVerjährung und beantrage dieKlage des Herrn Karl Kraus a limine abzuweisen.

Wien, am 10. Mai 1927Dr. J. Hannak.

2 p.D.

Solche Witze ist man ja von HerrnKarl Kraus nachgerade schon gewöhnt.Aber immerhin ist es bemerkenswert,daß diesmal auch die breiten Massender gewerkschaftlichen Arbeiter undAngestellten Gelegenheit erhalten, durchihn selbst zu erfahren, woran siemit dem großen „Revolutionär“ sind.

11Polizei-Direktion Wien Gerichtliche Preßpolizei

Amtsvermerk

Dieser Zettel wurde durch H. Dr.Hannak freiwillig zur Verfügunggestellt und zum Akte genommen.

29./4.27[Unterschrift]

Aktenübersicht

1 13./IV. Anzeige 1/5

2 13./IV. Verfügung 6

3 29./IV. Antrag d. P.A. 7/8

4 30./IV. RevisionsberichtPr.Pol. 9/12

5 10/5 VerhörprotokollDr. Joh. Hannak 13/16

6 14./5 Eingabe Dr. Hannak 17

Dr. Otto Zeisl R.A.I. Gonzagag. 23 Landesgericht eingelangt am 14. Mai 29

Dr. Johann Hannak d. Dr. Zeisl

Ich lege unter ./1 dieVollm. meines Verteidigers vorund ersuche dies zur Kenntniszu nehmen.

D. Joh. Hannak