72.2 Brief Hans Loewe an Verlag Die Fackel

Materialitätstyp:

  • Manuskript

Sender

Hans Loewe
Hotel de Russie | Gr. Sperlgasse
Wien II.
Datum: 1. Jänner 1924
Betreff:
Diktiersigle:

Empfänger

An: An den Verlag | "Die Fackel"
Hintere Zollamtsstraße
Wien.
Seite von 2
Hans Loewe Wien, den 1. Januar 1924.An den Verlag„Die Fackel“Wien,

Ich danke Ihnen für das Bekenntnis, daß der leidende Mensch durchseine wirtschaftliche Notlage allein ein Anrecht auf Hilfe hat – und fürdie mir geleistete Hilfe.

Während Sie aber der Meinung sind, daß Herr Karl Krausdurch-schnittlich 14 bis 18 Stunden des Tags seiner Arbeit widmen mußwird er sich selbst nie darüber im Zweifel sein, daß er durch 24Stunden des Tags aus der Unerschöpflichkeit des Geistes schöpft undschafft. Und Vermessenheit wäre meine Behauptung gewesen,daß mir aus der adäquaten Erkenntnis seines Wesens einerGewißheit entsprungen sei, wäre sein Wesen, seit dem erstenEindruck auf der achzehnjährigen Zeit und ein wechselndesSchicksal in fernen Ländern übertragend, unbeirrbar undneuer Eindrücke seiner selbst unbedürftig, mir nicht aus derSeele ins Leben gewachsen. So unsicher jede nicht bezweifelteSicherheit ist, so gewiß ist die Gewißheit: daß es mir im Lebengegönnt sein wird, viele Stunden mit ihm zu sein. So un-erforschlich die Macht ist, welche unseren Lebenslinien Kraft undRichtung leiht, indem sie, um mit einmaliger Notwendigkeit

zu wirken, auf einen Schritt ebensowenig verzichten kannwie auf ein pompöses Erlebnis und nicht auf das einezugunsten des andern – so unfaßbar ist mir der Wunsch,auf Wegabkürzungen zur Andacht jener Stunden zu gelangen.

Ihr ergebenerHans Loewe