72.11 Brief Hans Loewe an Kraus

Materialitätstyp:

  • Manuskript

Sender

Hans Löwe
Untere Augartenstr. 23/30
II.
Datum: 7. August 1926
Betreff:
Diktiersigle:

Empfänger

An: Herrn | Karl Kraus | Herausgeber der "Fackel"
Hintere Zollamtsstraße
Wien
Seite von 2
2376 – Pr/26Löwe Hans.HerrnKarl KrausHerausgeber der „Fackel“Wien

Letztwillige Bitte.

Unter dieser Nummer wird man in meiner Rock-tasche die Kopie eines an den Bundeskanzler gerichtetenSchreibens finden und eine Welt, die ich überwundenhabe, wird mich bedauern.

Dann bitte ich Sie, daß Sie meine Verse veröffentlichenund den ev. Ertrag meiner Mutter zuführen.

Ich war kein Verdiener. Ich bin der Sensation nicht nachgelau-fen, weil es mir nicht gegeben war, mich zu belügen:

Ich habe die Inspiration erlebt und spürte die Unfreiheitan jedem Wort; sah wie sie nicht gesehen haben, daßalles sich zu einem Zeichen fand – und daß ichträumte.

Die Sprache schaltete eine andere Sprache. Vom Gesprochenenblieb mir ein Symbol. So ging ich weltfremdmeinen Weg.

Leidlos trug ich meine Bettelarmut, und auch derKerker hat mich nicht verdrossen.

Den Überwinder will ich genießen lassen vondem Lebensholze, das in meines Gottes Paradiese steht.

Als ich diese Worte las, habe ich Ihre Stimme gehört.

Ihr ergebenerWien, den 7. August 1926.Hans Löwe