83.3 Brief Hamburger Fremdenblatt an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript

Sender

Max Alexander Meumann
Hamburg 36
Datum: 4. Juni 1927
Diktiersigle: Meu/Dr.

Empfänger

An: Herrn | Rechtsanwalt Dr. Oskar Samek
Schottenring 14
Wien I.
Seite von 2

Sehr geehrter Herr Doktor,

wir haben mit einigem Erstaunen Kenntnis von Ihrem Schreibenvom 31. Mai 1927 genommen. Wir bedauern natürlich die Tatsache, dass wireinem Abschreiber zum Opfer gefallen sind, betonen jedoch, dass eine Schuldunsererseits unter keinen Umständen in Frage kommt, und wir verstehen dahernicht, dass Sie uns für den Schaden haftbar machen wollen, noch dazu mit einersolch exorbitant hohen Summe, die in keinem Verhältnis zu der wirklichen Schä-digung stehen kann, da diese nach unserer Meinung, wie auch nach der Ansichtvon Herren des Schutzverbandes der deutschen Schriftsteller in dem vorliegendenFall nicht übermässig gross sein wird, erschien doch die in Frage stehendeErzählung nur in einem ganz geringen Teil der Tagesausgabe unseres Blattes.

Eine Haftbarmachung käme, wie Sie wohl selbst wissen werden,überhaupt nur in Frage, wenn uns ein Verschulden, d.h. eine Fahrlässigkeit,nachgewiesen werden könnte. Dies ist jedoch undenkbar. Es gibt für den Redak-teur keine Möglichkeit, sich vor solchem Piratentum zu schützen. Mit dembesten Willen kann er einem Manuskript nicht ansehen, ob es sich um eine Ori-ginalarbeit oder um eine niederträchtige Abschreiberei handelt. Und jederRedakteur weiss, dass solche Fälle nicht nur einmal sondern heute leider

sehr häufig vorkommen.

Aus den dargelegten Gründen müssen wir also die von Ihnenverlangte Busse in Höhe von dreitausend Goldmark zuzüglich Ihrer Rechtsanwalts-kosten grundsätzlich ablehnen. Wir verweisen Sie an den Verfasser des betref-fenden Artikels, HerrnWilly Reese, Hamburg, Osterstrasse Nr. 123, von dem wir selbstverständlich umgehend eine Stellungnahme gefordert haben. Dawir nunmehr erfahren haben, dass der wirkliche Autor der kleinen ErzählungHerr Karl Kraus ist und es bei uns nicht üblich ist, einem Autorsein Honorar vorzuenthalten, so sind wir gern bereit, freiwillig Herrn KarlKraus den Höchstsatz der bei uns üblichen Honorare zu übermitteln. Wir betonenjedoch ausdrücklich, dass wir damit keinerlei Verpflichtung anerkennen, sonderndass dies lediglich aus freiem Willen und weil es den Usancen unseres Hausesentspricht, geschieht.

Mit vorzüglicher HochachtungM.A. Meumann

KrausHamburger Fremdenbl. 7. Juni 1927