109.5 Privatanklage von Karl Kraus gegen Neues Wiener Tagblatt (verantw. Red. Oskar Hirth) wegen §§ 23, 24 Pr.G.

Schreiberhände:

  • schwarze Tinte

Materialitätstyp:

  • Durchschlag mit handschriftlichen Überarbeitungen
Datum: 18. September 1928
Seite von 2

An dasStrafbezirksgericht IWien.

Privatankläger: Karl Kraus, Schriftsteller in WienIII., Hintere Zollamtsstrasse Nr. 3,durch:

Beschuldigter: Oskar Hirth, verantwortlicher Redak-teur des ‚Neuen Wiener Tagblattes‘, WienI., Fleischmarkt Nr. 5,wegen § 23, § 24, Abs. 2, Z. 2 Pr.G. 1 fach1 Vollmacht2 Beilagen

Privatanklage.

In der Nr. 245 des ‚Neuen Wiener Tag-blattes‘ vom 3. September 1928 erschien eine Notiz: „Skandal-szenen bei einer Kraus-Vorlesung“ die ich durch meinen An-walt Dr. Oskar Samek mit Schreiben vom 10. September 1928 be-richtigen liess. Die Berichtigung wurde nicht ordnungsgemässveröffentlicht, es fehlte nämlich aus dem Text der Berichti-gung der mitzitierte Titel der Notiz. Während nämlich dasBerichtigungsschreiben folgendermassen begann: „Sie veröffent-lichen: ‚( Skandalszenen bei einer Kraus-Vorlesung.)‘ Aus Berlin, 3.d. wird uns telegraphiert: …“ fehlten in demAbdruck die starkzudruckenden Worte „(Skandalszenen bei einerKraus-Vorlesung.)“ und die Berichtigung begann mit den Worten:Sie veröffentlichen: Aus Berlin, 3.d., wird uns telegraphiert: …Die Auslassung beim Abdruck der Berichtigung fällt umso schwererins Gewicht, als bereits im Titel die unwahre und berichtigteBehauptung, dass Karl Kraus eine Vorlesung gehalten habe, ent-halten war.

Beweis: Berichtigungsschreiben vom 10. September1928, Nummer 255 des ‚Neuen Wiener Tag-blattes‘ vom 13. September 1928.

Ich stelle daher durch meinen mit beilie-gender Vollmacht ausgewiesenen Anwalt folgendeAnträge:

1.) Anberaumung einer Hauptverhandlung,2.) Ladung des Beschuldigten,3.) Verlesung der Berichtigung und des Abdruckes derselben,4.) Bestrafung des Beschuldigten und Veröffentlichung

Karl Kraus.

Neues Wiener Tagblatt IIexp. am 18 Sept. 1928