136.8 Brief Botho Laserstein an Kraus

Materialitätstyp:

  • Typoskript
  • Kopie

Sender

Dr.jur. Botho Laserstein
Landsberger Allee 55
Berlin N O 18
Datum: 6. November 1929
Diktiersigle: E.

Empfänger

An: Herrn | Karl Kraus
Hintere Zollamtsstr. 3
Wien III
Seite von 2

Sehr geehrter Herr Kraus!

In Sachen Kraus ./. Volksbühne habe ich bisher dieKlage noch nicht eingereicht, einmal weil mir die Vollmachtfehlt, die ich in der Anlage übersende und unterschriebenzurückerbitte, sodann weil ich nach der in Abschrift bei-liegender Mitteilung der Volksbühne doch nicht absolut si-cher bin, dass wir den Prozess in vollem Umfange gewinnen.Für sicher halte ich den Anspruch auf Zahlung von RM 600.–wegen der Aenderung. Dagegen ist der Gewinn des Prozessesinsofern, als wir eine Entschädigung für die grundlose undschädigende plötzliche Absetzung und ihre ganze Art verlan-gen, sehr wahrscheinlich. Dagegen halte ich es nicht für si-cher, dass Sie den Prozess bezüglich weiterer Aufführungengewinnen. Denn wenn die Volksbühne nachweisen kann, dass derVerkauf schon bei der 1. Vorstellung so schlecht war, undeine halbe Woche vor der 2. trotz des Beifalls beim Publikum

bei der Erstaufführung nur 165 Billets verkauft waren – damit stimmtdie Mitteilung des Herrn Lorre überein, dass die Volksbühne bei derErstaufführung 2000.– hinzugesetzt hat, so kann man weitereAufführungen nicht verlangen. Meine Vertragsauslegung ist an sichrichtig, und ich bleibe bei ihr bestehen. Aber sie hat zur Voraus-setzung, dass tatsächlich ein Kostenerfolg bei der Erstaufführungeingetreten ist.

Das Schreiben von der Volksbühne erhalten Sie anliegend.Gleichzeitig erlaube ich mir, den Vertrag beizufügen. Ich bitte bei-des zugleich mit meinem ersten Schreiben an die Volksbühne mit Kolle-gen Dr. Samek vorzulegen, auf dessen Urteil und Mitberatungin dieser Sache ich den allergrössten Wert lege.

HochachtungsvollDr. Laserstein Rechtsanwalt