183.20 Brief Samek an Cecilie und Peter Lorre

Materialitätstyp:

  • Durchschlag

Sender

Oskar Samek
Reindorfgasse
XIV., Penzing
Datum: 30. Juli 1936
Diktiersigle: Dr.S/Fa

Empfänger

An: Frau Cecilie Lvovsky-Lorre
326 Adelaide Drive
Santa Monica, California
Seite von 3

Sehr geehrte gnädige Frau, sehr geehrter Herr Lorre!

Mit dem besten Dank bestätige ich den Empfangihres freundlichen Schreibens vom 10. Juli 1936, das währendmeines Urlaubes hier angekommen ist, weshalb ich es erst heutebeantworte.

Ihr Wunsch, etwas über die letzten Tage desHerrn K. zu erfahren, ist leicht erfüllbar, da zwischen dem An-fall, der zum Tode führte und diesem nur 10 Tage liegen. AmPfingstmontag wurde er in der Halle des Hotel Imperial bei einerUnterredung mit Frau Kann von einer plötzlichen Schwäche be-fallen, die leider der Ausdruck seiner schon seit einigen Jahrenbestehenden Krankheit war. Diese bestand in einer Gefässerkran-kung, in einer Sammlung von Blutgerinnsel in der Herzkammerund führte zu einer Anzahl von Embolien, von denen eine in dasGehirn drang und damit die unmittelbare Todesursache wurde. Vondem behandelnden Arzt wurde sein Leiden geschickt als ein nervö-ses hingestellt, so dass er keine Ahnung von der Schwere seinerErkrankung hatte. Leider muss es als ein Glück bezeichnet wer-den, dass die Erkrankung den Tod in so kurzer Zeit herbeigeführthat, denn selbst wenn keine Embolie in das Gehirn eingetretenwäre, so wäre eine Lähmung die geringste Folge gewesen, undeine Arbeitsunfähigkeit für die ganze Zukunft. Diese zu ertragen,

wäre ihm seelisch gewiss unmöglich gewesen. Die letztenTage wurde er wegen vorhandener Schmerzen in einem ständigenOpiumrausch gehalten, der ihm nicht nur die Schmerzen wesent-lich erleichterte, sondern sogar ein gewisses Wohlbefindenverschaffte, so dass er wirklich ahnungslos in den Tod ge-gangen ist. Ueber das, was wir alle an ihn verlieren, Ihnenetwas zu schreiben, halte ich für überflüssig. Jeder der ihmnähergestanden ist, hat einen unauslöschlichen Eindruck fürdas Leben gewonnen, und Sie sind ihm doch besonders nahe ge-standen.

Bei der Durchsicht der zurückgelassenen Brief-schaften, zu der ich testamentarisch berufen bin, habe ichauch eine Anzahl von Briefen gefunden, die von Ihnen, sehrgeehrte gnädige Frau, herrühren. Ich habe sie nicht gelesen,sondern ihre Autorschaft lediglich aus der Unterschrift, derAbsenderadresse und manchmal auch nur aus der Schrift festge-stellt. Unter den Briefen befinden sich auch einige, die eineähnliche Schrift aufweisen, aber nicht mit „C“, sondern mitNachtigall“ unterzeichnet sind. Ich bitte, mir mitzuteilen, obmeine Vermutung richtig ist, dass auch diese Briefe von Ihnenherrühren. Ferner bitte ich Sie, mir mitzuteilen, was mit denBriefen geschehen soll. Ich könnte sie gesondert aufbewahrenund sie Ihnen bei einer Anwesenheit in Oesterreich übergeben,vernichten, oder auch auf Ihre Gefahr übersenden. Den letzte-ren Weg würde ich aber nicht gerne einschlagen, weil bei derweiten Entfernung und der Unsicherheit der Post doch mit derMöglichkeit zu rechnen ist, dass sie in fremde Hände gelangen.

Auch für Ihre Zusage, mir in der nächstenWoche den Restbetrag meiner Forderung einzusenden, danke ichIhnen verbindlichst, ich bitte Sie, diesen Termin auch wirk-lich einzuhalten, da ich sehr grosse Auslagen habe, zumal,

da die Verlassenschaft nach Herrn K. nur ganz geringfügig ist,und die bedachten Personen eine grosse Einbusse erleidenmüssten, wenn ich nicht gewisse Zahlungen aus Eigenem vor-nähme. Zu diesen gehört die Schaffung eines Zimmers in meinemHause, in welchem das Arbeitszimmer des Herrn K., so wie esbestand, zum ewigen Andenken untergebracht werden soll. Ichbitte Sie also nochmals und dringendst um die Uebersendungdes Geldes.

Mit ergebener Hochachtung