188.1 Brief Samek an die Olleschauer Zigarettenpapier- und hülsenfabrik B. Oberlaender

Materialitätstyp:

  • Typoskript

Sender

Dr. Oskar Samek
Reindorfgasse 18
Wien, XIV.
Datum: 27. November 1933
Betreff: Kraus - Olleschauer | Zigarettenpapierfabrik
Diktiersigle: Dr.Sa/Ma.

Empfänger

An: die | Firma B. Oberlaender
Rennweg 79/81
Wien III.
Seite von 2

In den Schachteln, in denen Sie Ihre Zigarettenhülsenvertreiben, sind „Lesezeichen“ mit Porträts bekannter Autoren ein-gelegt, durch die unter dem Vorwande einer Gabe für BücherleserReklame für Ihr Erzeugnis gemacht wird. Unter diesen Lesezeichenbefindet sich als Nr. 311 eines, das die Abbildung meines Klien-ten Karl Kraus aufweist. Die Aufschrift dieses Lesezeichensist so gehalten, dass die Empfehlung Ihrer Ware als Ausspruchdes Porträtierten wirken muss und vielleicht soll:

KARL KRAUS Olleschau Das Beste von Allen!

Es fehlt nichts als der Doppelpunkt nach dem Autorennamen, umdiesen Anschein zu einer Tatsache zu machen, und es könnte derFall sein, dass die Weglassung des Doppelpunktes der juristischenAbsicht entspringt, einer Widerrufsklage zu entgehen. Auf derRückseite ist, um den Dienst für den Bücherleser zu vervollstän-digen eine sowohl unvollständige wie fehlerhafte biographischeNotiz angebracht. Immerhin genügen die angeführten Werke desAutors, um eingeweihten Lesern die Erinnerung beizubringen, dassgerade dieser Porträtierte mit Abscheu die parasitäre Verwendungkultureller Werte für die Interessen des Kommerzes literarischbehandelt und die „Kultur im Dienste des Kaufmanns“ an zahlrei-chen Beispielen zur moralischen Abschreckung dargestellt hat.Da sich viele der heute wirkenden künstlerischen und literari-schen Persönlichkeiten, die sogenannten „Prominenten“ – offenbarfür Geld oder Ware – dazu hergeben, dieses Unwesen zu tolerieren,ja zu fördern, so wird der Anschein erweckt, als ob auch HerrKarl Kraus sich der von ihm angeprangerten Serie angeschlossenhätte, was nachweislich etliche Gebraucher des Lesezeichens innicht geringem Masse verblüfft hat. Gegen die schwere Belästigung,die meinem Klienten durch das Faktum und dessen Deutung entstan-

den ist, gibt es leider vorläufig keine gesetzliche Abhilfe.Zweifellos aber ist durch die Verwendung seines Photographie-porträts ein Eingriff in seine Rechte und zwar in doppelterHinsicht begangen worden: in die Urheberrechte des Bestellerswie des Porträtierten. Wohl ist hier ein Zwischenfaktor zwischenPorträt und Abdruck eingeschaltet worden, aber eben diese Handlung,zur Verschleierung des Tatbestandes ersonnen, ist geeignet, ihndarzutun. Das Gesetz hat auch für diesen ohne Zweifel seltenenFall ausdrücklich vorgebaut, was vielleicht nicht allen Benützernvon Photographieporträts, die litographisch auszuweichen suchen,bekannt ist.

Ich fordere Sie demnach auf, das Lesezeichen Nr. 311aus dem Verkehr zu ziehen, den ganzen Vorrat mir auszufolgen undeine Erklärung in der „Neuen Freien Presse“ (eventuell im „Wiener Tag“)des folgenden Wortlautes einzuschalten:

„Wir haben widerrechtlich unter den ‚Lesezeichen‘,die wir unseren Fabrikaten beilegen, alsNr. 311 ein Porträt von Karl Kraus verwendet,wobei der Text den Anschein erweckt, als obder Porträtierte unsere Ware empfohlen hätte.Wir bedauern dieses Vorgehen und haben dasLesezeichen Nr. 311 aus dem Verkehr gezogen.“

Ausserdem fordere ich Sie auf, einen Sühnebetrag vonS 300.– zu meinen Händen für wohltätige Zwecke und die in meinerKanzlei aufgelaufenen Kosten von S 50.64 zu erlegen, widrigenfallsich die gerichtlichen Schritte gegen Sie einleiten würde.

HochachtungsvollDr. OskarSamek

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