189.77 Brief RA Johann Turnovsky an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript

Sender

JUDr. JOHANN TURNOVSKY | Advokat
Vodičkova 33
Prag
Datum: 17.X.1934
Betreff: Kraus – Gegenangriff

Empfänger

An: P.T. | Herrn Dr. Oskar Samek, Advokat
Reindorfgasse 18
Wien – XIV
Seite von 2

Zu Ihrem Briefe vom 16. d.M. gestatteich mir mitzuteilen, dass Herr Kraus selbst bei der letzten Unter-redung, bei welcher die Frage einer Widerrufs- oder Ehrenbeleidigungs-klage wegen des Titels „Karl Kraus gleichgeschaltet“ erörtertwurde, erklärte, von einem Einschreiten in diesem Falle absehen zuwollen. So habe ich allerdings Herrn Kraus verstanden, als wirdie besprochenen Angelegenheiten kurz rekapitulierten und fest-legten, welche Klagen überreicht werden sollen. Ich weiss auchnicht, ob man mit einer Widerrufsklage durchdringen würde unddie Ueberreichung einer Ehrenbeleidigungsklage glaube ich nichtempfehlen zu können, weil die in dem Titel aufgestellte Behaup-tung „Karl Kraus gleichgeschaltet“ zwar in beleidigender Ab-

sicht geäussert ist, aber doch nur relativ, das heisst in Be-ziehung auf Herrn Kraus beleidigend ist. Da der Artikel, derunter diesem Titel hätte veröffentlicht werden sollen, späternicht erschienen ist, also auch der Inhalt dieses Artikels un-bekannt bleibt, kann man nicht gut sagen, dass der Titel alleinobjektiv genommen eine Beleidigung darstellt.

Aus diesem Grunde glaube ich, dass man von einer Verfolgungabsehen kann, bin aber natürlich gerne bereit, auch in diesemFalle die Klage zu verfassen. Ich mache nur aufmerksam, dass dieVerjährungsfrist am 24. d.M. endet.

Mit vorzüglicher Hochachtung:Dr. Turnovsky

KrausGegenangriff18. OKT. 1934