193.13 Brief RA Johann Turnovsky an Samek
Materialitätstyp:
- Typoskript
Sender
JUDr. JOHANN TURNOVSKY | AdvokatVodičkova 33
Prag
Empfänger
An: P.T. | Herrn Dr. Oskar Samek, | AdvokatReindorfgasse 18
Wien – XIV.
Sehr geehrter Herr Doktor.
Ich erhielt Ihren Brief vom 7. d.M., sowieden beigeschlossenen Artikel aus der Reichspost, Wien. Den Ar-tikel habe ich gelesen und den gelungenen „Grubenhund“ be-wundert, glaube jedoch nicht, dass es sich empfehlen wird,im Prozesse gegen den „Sozialdemokrat“ auf diesen Artikel hinzuweisen. Wie ich bereits einmal bemerkt habe, sind dieRichter beider Prager Pressesenate durchaus sozialdemokratischorientiert. Das Justizministerium ist nämlich bei uns seitlangem in sozialdemokratischen Händen und so ist es gekommen,dass zu Richtern der Pressesenate ausschliesslich Sozialdemo-kraten bestellt werden. Zwischen den deutschen und den tsche-chischen Sozialdemokraten herrscht ein gutes Einvernehmenund ich befürchte, dass die Richter peinlich berührt wären,wenn der Artikel eines ausländischen antimarxistischen Blattesproduziert würde, in welchem nicht nur das Parteiorgan derPrager deutschen Sozialdemokratie – wenn auch mit Recht – lächer-lich gemacht, sondern auch gegen die Partei als solchegeschrieben und insbesondere die Hoffnung ausgesprochen wird,dass die deutschen Sozialdemokraten bei den nächsten Wahlenschlecht abschneiden werden.
Ich behalte jedenfalls den Zeitungsaus-schnitt bei mir, um ihn, wenn es die Prozessituation erfordern
sollte, zu produzieren, glaube jedoch, dass es nicht dazukommen wird.
Ich bitte Sie, sehr geehrter Herr Doktor, HerrnKraus’ die hier geäusserten Bedenken bekanntzugeben und meineergebenen Grüsse zu bestellen.
Mit vorzüglicher Hochachtungergebener:Dr. Turnovsky
Kraus – Sozialdemokrat 10. NOV. 1934