196.38 Brief RA Felix Gallia an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript

Sender

Dr. FELIX GALLIA
MASARYKSTRASSE 25/27
BRÜNN
Datum: 6. August 1935
Betreff: Kraus – Arbeiterzeitung.
Diktiersigle: DrG/K

Empfänger

An: Wohlgeboren Herrn | Dr. Oskar Samek, Rechtsanwalt
Reindorfgasse 18
Wien XIV.
Datum: 7. AUG. 1935
Seite von 2

Sehr geehrter Herr Kollege.

Ich komme zurück auf die Schreiben meinesSozius vom 17. v.M. und 1. d.M. und teile höflich mit, dass mei-ner Meinung nach der Prozess gegen Herrn Sonnenschein auchin Brünn anhängig zu machen ist.

Nach den hiesigen Pressvorschriften soll dieHauptverhandlung gegen alle an einem Pressdelikt Beteiligtenwomöglich gemeinsam durchgeführt werden. Es wird sich alsovermutlich durch die Einleitung des Strafverfahrens gegenHerrn Sonnenschein das Verfahren gegen den Redakteur Schra-mek etwas verzögern. Ein Vorverfahren ist wohl zumindestinsoweit notwendig, als auf Grund des Strafantrags gegen Son-nenschein, den ich in den allernächsten Tagen überreichen wer-de, eine neue Vergleichsverhandlung angeordnet werden wird,denn es wäre ja theoretisch der Fall denkbar, dass Sonnen-schein einen anderen Weg geht als der Redakteur Schramek und sich zu einer Herrn Kraus genehmen vergleichsweisen Erle-digung der Sache bereit findet, was ich allerdings für voll-kommen unwahrscheinlich halte.

Ich möchte beim Strafgericht dahin wirken, dassdie Vergleichsverhandlung auf einen möglichst kurzen Termin

hinaus angesetzt und nach ihrem wahrscheinlichen Schei-tern die Einvernahme Herrn Sonnenscheins sofort durch-geführt wird. Ich glaube mit Bestimmtheit annehmen zu kön-nen, dass Herr Sonnenschein sich in der gleichen Weise zuverteidigen versuchen wird wie der Redakteur Schramek.Sobald sein Konstitut vorliegt, möchte ich dann, wenn meineVermutung zutrifft, sofort die formelle Anklageschrift über-reichen.

Da ja im Strafverfahren praktisch doch auch die Ge-richtsferien gelten, wird es vermutlich nicht schwer sein,beim Vorsitzenden des Pressenats zu veranlassen, dass dieHauptverhandlung gegen Schramek erst dann angeordnet wird,bis ich auch die Anklage gegen Herrn Sonnenschein erhobenhabe.

Zu der Frage der Auswirkung des Prager Prozesses auf den Brünner möchte ich meine Meinung dahin abgeben, dassich wohl das Ergebnis des Prager Verfahrens für den hiesigenProzess nicht für präjudiziell halte, trotzdem jedoch glaube,dass ein Freispruch des Prager Angeklagten das hiesige Ge-richt ungünstig beeinflussen würde. Dabei halte ich es nundoch nicht für gut denkbar, dass es zu einem Freispruch imPrager Prozess kommen könnte, der aus wirklich meritalenGründen erfolgen sollte.

Ich behalte mir weitere Mitteilungen vor und zeichnemit kollegialer HochachtungergebenerDr. Gallia

KrausArb. Ztg. 7. AUG. 1935