15.20 Vorlage der Anklageschrift gegen Fritz Kaufmann

Materialitätstyp:

  • Durchschlag
Datum: 4. Juni 1926
Stempel: Landesgericht für Strafsachen
Seite von 6

20Vr XXVI 4093/254. Juni 1928

An dasLandesgericht für Strafsachen IWIEN.

Privatankläger: 1.) Karl Kraus, Schriftsteller, Wien III. Hintere Zollamtsstrasse 3 2.) Richard Lanyi, Buchhändler, Wien I. Kärtnerstrasse 44 beide durch:

Beschuldigter: Dr. Fritz Kaufmann, Schriftleiter der „StundeWien VIII.Piaristengasse 56

wegen Vergehens des § 44 resp.Uebertretung des § 45 Abs. 3des Urheberrechtsges.

1 fach2 Beilagen

Vorlage der Anklageschrift.

Im Anschluss legen wir die gegen den Beschuldigten erhobene Anklageschrift in zweifacher Ausfertigung vor.

Wir beantragen ferner die Einstellung des Verfahrensgegen die weiteren Beschuldigten Emmerich Bekessy und Anton Kuh.

Karl Kraus.Richard Lanyi.

Betrifft: Karl Kraus,Richard Lanyi ca.Dr. Fritz Kaufmann wegen § 44 resp. § 45 U.R 24.VI.26

Anklageschrift:

Herr Karl Kraus und Herr Richard Lanyi erheben durchihren Vertreter Dr. Oskar Samek, Rechtsanwalt, gegenDr. Fritz Kaufmann,geboren am 16.VIII.1896 in Wien, mosaisch, verheiratet, Redakteurder „Stunde“ wohnhaft in Wien VIII. Piaristengasse 56, vorbestraft,diePrivatanklage.

Dr. Fritz Kaufmann habe im Mai 1925 wissentlich die Nachbildungdes Photographieportraits des Herrn Karl Kraus ohne dessenZustimmung zum Druck befördert und die Erzeugnisse dieser Nach-bildung entgeltlich verbreitet,derselbe habe dadurch das Vorgehen und die Uebertretung gemäss§ 44 und 45 Abs. 3 des Gesetzes vom 26. Dezember 1895 R.G.Bl. 197betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur, Kunst undPhotographie in der Fassung der Vollzugsanweisung des Staatsse-kretärs für Justiz vom 31. August 1920, St.G.Bl. Nr. 417, die aufGrund des Artikels IV des Gesetzes vom 26.II.1895, R.G.Bl. 197,betreffend das Urheberrecht erlassen wurde,strafbar nach § 44 dieses Gesetzes unter Berücksichtigung desGesetzes vom 6.II.1922 B.G.Bl. 881 über die Erhöhung von Wert-grenzen und Geldstrafen in den Strafgesetzen ( II der Strafge-setznovelle vom Jahre 1922)begangen.

Anträge:1.) Anordnung einer Hauptverhandlung vor dem Landesgerichte fürStrafsachen, Wien I. als Schöffengericht,2.) Vorladung des auf freien Fuss befindlichen Beschuldigten als Angeklagten.

3.) Ladung der Zeugen Anton Stranyak, Wien XII. Gstettengasse 4a,Adalbert Sipos, Wien I. Krugerstrasse 5, Pension Distingue,Dr. Hans Böhm, Wien IX. Lackierergasse 1a4.) Vorlesung der zu beschaffenden Akten des Strafbezirks-gerichtes I. U I 109/25 und U I 110/25 und der zu be-schaffenden Leumundsnote, ferner des Artikels „Ein Streitum Photographien, Karl Kraus der Hühneraugenoperateur undRichard III.“ aus der Nr. 659 der „Stunde“ vom 20.V.19255.) Bestrafung des Angeklagten, Verfall der bei wem immer vor-handenen, zum Vertrieb bestimmten Vervielfältigungen undNachbildungen, Unbrauchbarmachung des Klischees gemäss42 des Urheberrechtsgesetzes, Verurteilung zur Zahlungeiner angemessenen Entschädigung für erlittene Kränkunggem. § 50 Urh.G. Zuspruch der Befugnis, die Verurteilung aufKosten des Angeklagten öffentlich bekannt zu machen gem.§ 51 Urh.G.

Begründung:In der Nr. 663 des 3. Jahrgangs der Zeitung die „Stunde“ vom 26.V.1925 war auf der 1. Seite ein Photographieportrait desHerrn Karl Kraus unter Hinzufügung eines fremden Hintergrundeseiner Flasche Bitterwasser und eines Glases und Wegretuschie-rung der auf dem Originalportrait mitphotographierten Bücher,veröffentlicht und in Vertrieb gesetzt worden. Das Photographie-portrait des Herrn Karl Kraus wurde gegen entgeltliche Be-stellung des Privatanklägers Richard Lanyi mit Zustimmungdes Privatanklägers Karl Kraus bei dem PhotographieatelierJoel-Heinzelmann in Charlottenburg, Hardenbergstrasse 24 her-gestellt und zu wohltätigen Zwecken verkauft. Das Urheberrechtan diesem Bild stand daher Herrn Richard Lanyi zu. Die Zustim-mung des Herrn Karl Kraus oder des Herrn Richard Lanyi zurNachbildung dieses Photographieportraits und Veröffentlichung

in der „Stunde“ wurde nicht erteilt. Diese Nachbildung und Ver-öffentlichung und die entgeltliche Verbreitung der „Stundestellen daher bezüglich des Herrn Karl Kraus die Uebertretungdes § 45, Abs. 3 bezüglich des Herrn Richard Lanyi des Vergehendes § 44 des Urheberrechtsgesetzes dar. Der Angeklagte Dr.Fritz Kaufmann gibt zu, das inkriminierte Bild vor der Druck-legung gesehen und es auch zum Drucke befördert zu haben, be-hauptete aber, dass er nicht überprüft habe, ob durch die Ver-öffentlichung dieses Bildes ein Urheberecht verletzt wor-den ist.

Diese Verantwortung des Angeklagten ist aber unwahr undnicht geeignet, ihn zu entschuldigen. Bereits am 20. März 1925Jahrgang 3 Nr. 510 erschien in der Zeitung „Die Stunde“ unterdem Titel „Karl Kraus“ die Veröffentlichung eines entstelltenBildes, dessen Richtigstellung in Form einer Berichtigung aufGrund des § 23 P.G. von der Stunde begehrt, aber nicht ver-öffentlicht wurde. Deswegen wurden der heutige BeschuldigteDr. Fritz Kaufmann zur G.Zl. U I 109/25 beim Strafbezirksgerichte I am 23.IV.1925 beklagt und am 25. April 1925 verurteilt. Wegen desgleichen Bildes wurde gegen Dr. Marc Siegelberg die Anklage gem.§ 30 P.G. zur G.Zl. U I 110/25 Strafbezirksgericht I wegen Ver-nachlässigung der pflichtgemässen Obsorge erhoben, weil durch dieVeröffentlichung dieses ersten Photographieportraits eineVerletzung des Urheberrechtes gemäss § 45 Abs. 3 begangen wur-de. Bei der am 7. Mai 1925 in dieser Angelegenheit durchgeführ-ten Hauptverhandlung war Herr Dr. Fritz Kaufmann als Vertreterder „Stunde“ und des Dr. Marc Siegelberg anwesend. Ueberdieswurde die Veröffentlichung dieses Photographieporträts in derStunde“ vom 20.V.1925 in dem Aufsatze „Ein Streit um Photo-graphien, Karl Kraus, der Hühneraugenoperateur und Richard III.

geradezu angekündigt. Es ist klar, dass unter diesen Umständender Angeklagte niemals im Zweifel sein konnte, dass die Ver-öffentlichung des Photographieportraits des Herrn Karl Kraus eine widerrechtliche war.

Die erhobene Anklage ist somit begründet.

Die übrigen Anträge sind in den bezogenen Gesetzesstellengleichfalls begründet.

Kraus Lany Dr. Kaufmann 24.VI.26