29.1 Brief Richard Weininger an Ludwig Münz

Materialitätstyp:

  • Typoskript

Sender

Richard Weininger
Tiergarten-Strasse 18 B
Berlin
Datum: 25. Mai 1925

Empfänger

An: Ludwig Münz
Seite von 2

Münz Ludwig, komm’ mal heraus!

Ich habe Deinen Brief bekommen, er hat mich nichtim geringsten überrascht. Ich habe ihn längst erwartet, dennDu gehörst zu dem Typ Menschen, welcher in die Hand beisst, dieWohltaten erwiesen hat.

Zuerst muss ich Dir ein paar Lügen abstellen: Lange, nach der„denkwürdigen“ Unterredung in Gegenwart meiner ersten Frau, ha-ben wir uns in der Wohnung von Viertel gesprochen; lange nach-her hast Du, wie es sich gehört, immer sehr höflich gegrüsst. Deine verletzte Eitelkeit darüber, dass ich zuerst den Verkehr auf-gegeben habe, ist eines Volksschülers würdig und Du hastdoch schon lange Hosen an. Meine Bemerkung, dass mir mein Geldalles verschaffen kann, ist nie gefallen; Lüge hat kurzeBeine. Wenn ich soviel Geld hätte, wie Du glaubst, würde ich mirin allererster Linie Ruhe vor Dir verschaffen, indem ichDeine Schulden bezahle.

Schau’, Ludewig, ich bin ja nicht bös’ darüber, dass ich meinemoralische Position bei Dir verloren habe, ich will nur, dassDu zahlst, d.h. dass Du Deinen Verpflichtungen nachkommst, fürdie ich leider, keine Ausfallsbürgschaft, sondern Vollbürgschaftauf Grund Deiner, sich nachher als trügerisch erwiesenen Ver-sprechungen geleistet habe; dann lass’ ich Dich laufen.

Einen Rat bekommst Du noch: Lass’ Dich nicht von dem verwachse-

nen Journaille-Jingl, in dessen geifernden ZwergenkörperGott in seinem unerforschlichen Ratschluss die Seele einesso grossen lyrischen Genius gelegt hat, vorschieben, lass’Dir Deine Briefe nicht von ihm korrigieren, bitte ihn vielmehr,weniger Auto zu fahren und dafür Dir zu helfen.Münz, setzen!

Richard Weininger m.p.