38.3 Berichtigung an die Redaktion der Prager Presse

Materialitätstyp:

  • Durchschlag
Datum: 18. Januar 1926
Seite von 2

Im Vollmachtsnamen des Herrn Karl Kraus ersucheich Sie um die Aufnahme der folgenden Berichtigung der in IhrerNummer vom 12. Dezember 1925, Seite 5 unter dem Titel „Tumultszenenbei einer Karl Kraus-Vorlesung in Wien“ veröffentlichten Notiz:

„Es ist unrichtig, dass, als Karl Kraus in sei-nen Ausführungen die sozialdemokratische Kunststelleangriff, diese Kritik von zahlreichen Anwesenden alsunberechtigt befunden wurde, was zu heftigen Zwischen-rufen und Tumulten führte, sodass der Vorhang herunter-gelassen werden musste. Richtig ist vielmehr, dass derVortrag des Herrn Karl Kraus, welcher unter dem TitelNachträgliche Republikfeier‘ gehalten wurde, inhaltlichin zwei Teile zerfällt, deren erster sich mit der Kunst-stelle, deren zweiter sich mit der Wiener Presskorruptionbeschäftigt. Der erste Teil des Vortrages wurde immeraufs Neue durch einhelligen stürmischen Beifall unter-brochen, erst am Ende dieses Teiles fiel der Zwischen-ruf eines einzelnen Angestellten des Favoritner Arbeiter-theaters, in welchem der Vortrag gehalten wurde: ‚Müssenwir uns das in unserem eigenen Heim sagen lassen?‘ dervon der Zuhörerschaft mit dem einhelligen Rufe ‚Ja‘ be-antwortet wurde, worauf frenetischer Applaus für den Vor-

tragenden erfolgte. Erst als Herr Karl Kraus gegen Schlussdes zweiten Teiles des Vortrages von dem Eigentümer derStunde‘ sprach, ‚der es wagen darf, um sein Handwerk, daseinen goldenen Boden hat, auch von aussen zu verzieren,sich an die Sozialdemokratie anzuschmarotzen‘, kam es zu demberichteten Zwischenfall, der offenbar seine Ursache darinhatte, dass einige wenige das Wort ‚Anzuschmarotzen‘ stattauf den Eigentümer der ‚Stunde‘ auf Parteiführer bezogen.

Als der Vortrag nach der durch die Ruhestörerverursachten Unterbrechung beendet war, dankte das ge-samte Auditorium dem Vortragenden durch ungeheure Bei-fallskundgebungen und Absingen der ‚Internationale‘.“

Hochachtungsvoll