88.4 Brief Samek an Arbeiter-Zeitung (verantw. Red. Bruno Holfeld)

Materialitätstyp:

  • Typoskript mit handschriftlichen Überarbeitungen

Schreiberhände:

  • Karl Kraus, Bleistift

Sender

Oskar Samek
Schottenring
I., Innere Stadt
Datum: 29. Juni 1927
Betreff: Kraus- „Arbeiter-Zeitung“
Diktiersigle: Dr.S./Fa.

Empfänger

An: Wohlgeboren | Herrn Bruno Holfeld | verwantwortlicher Redakteur der „Arbeiter-Zeitung“
Rechte Wienzeile 97
Wien
Seite von 4

Sie haben eine von mir im Vollmachts-namen des Herrn Karl Kraus verfasste Berichtigung am 22. Juniempfangen und weder in der Nr. vom 23. noch in der vom 24. veröffent-licht, sondern erst in der Sonntagsnummer vom 26., in der irrtüm-lichen Annahme, dass als die Nummer der Zeitung, in der eine Be-richtigung zu erscheinen hat, die Rubrik, der der berichtigte Ar-tikel zugehört hat, aufzufassen sei, so dass als die „übernächste“Nummer, in der Sie die Berichtigung noch bringen konnten, wohl der2. Juli in Betracht gekommen wäre oder auch eine Nummer nach einemMonat, wenn die Rubrik nur einmal im Monat erschiene. Aus dieserfalschen Interpretierung des Pressgesetzes allein hätte ich nunkeine Konsequenz gezogen, wofern Sie nur am 26. Juni die Berichti-gung in einer den sonstigen Anforderungen des Pressgesetzes ent-sprechenden Weise gebracht, hätten. Leider ist dies nicht der Fallgewesen. Vielmehr haben Sie sie überhaupt nicht als pressgesetz-liche Berichtigung abgedruckt, sondern als eine Zuschrift, derenHerkunft verschwiegen war und die ganz gut auch von dritter an derMaterie interessierter, aber nicht von der Behauptung betroffenerSeite, gleichsam als ergänzender Beitrag, Ihnen zugekommen sein

konnte. Sie haben nicht nur die Unterschrift des Absenders und denHinweis auf die Person des Berichtigungswerbers weggelassen, sondernauch den zitierten Satz dem Gefüge der Berichtigung auf eine Artentnommen, dass er, von jeder näheren Angabe befreit, überhaupt nichtmehr als die berichtigte Stelle eines bestimmten Artikels der„Arbeiter-Zeitung“ zu erkennen war. Ich möchte es dahingestellt seinlassen, ob Sie wirklich glauben konnten, dass diese Art, eine Berichti-gung zu zitieren, dem Pressgesetz entspricht, oder vermutet haben, dassder Berichtigungswerber sich damit abfinden werde. Ausserdem war aberder Teil, der die eigentliche Berichtigung enthält, in seinem Anfangdurch die Weglassung einer Zeile um Sinn und stilistischen Zusammen-hang gebracht, was offenbar auf einen technischen Zufall zurückzufüh-ren ist, den Sie in den folgenden Nummern nicht beseitigt haben undder bedauerlicherweise gerade die Feststellung betraf, dass das Gegen-teil der in dem Artikel ausgesprochenen Behauptung richtig sei.

Demnach ist die Berichtigung, die sowohl verspätet alsvielfach entstellt erschienen ist, als überhaupt nicht erschienen an-zusehen, und ich ersuche Sie nunmehr, die in der Beilage enthalteneKorrektur in der nächsten Sonntagsnummer zum Abdruck zu bringen undgleichzeitig den Betrag von 100 S, der Notleidenden – zur Hälfteeinem bedürftigen Parteigenossen – zugewendet werden soll, nebst mei-nen Spesen in der Höhe von 20 S an mich zu überweisen. Sollten Sieauf diesen Vorschlag nicht eingehen, so würde ich im gerichtlichenWege den vollständigen Abdruck der Berichtigung und, ganz jenseitsder Frage ihrer Gesetzmässigkeit, die Verurteilung aus den Gründender Bestimmungen des Pressgesetzes im § 24 Abs. 2 Ziffer 1 u. 2 herbei-führen.

Mit vorzüglicher Hochachtung

1 BeilageRekommandiert mit Rückschein1 Erlagschein

Betr. Kraus„Arbeiter-Zeitung“ exp. am 29. Juni 1927.

Sehr geehrter Herr!

Sie haben eine von mir im Vollmachtsnamen des Herrn Karl Kraus verfaßte Berichtigung am 22. Juni empfangen und weder in der Nr. vom 23.noch in der vom 24. veröffentlicht, sondern erst in der Sonntagsnummervom 26., in der irrtümlichen Annahme, daß als die Nummer der Zeitung, inder eine Berichtigung zu erscheinen hat, die Rubrik, der der berichtigteArtikel zugehört hat, aufzufassen sei, so daß als die „übernächste“Nummer, in der Sie die Berichtigung noch bringen konnten, wohl der 2. Juliin Betracht gekommen wäre oder auch eine Nummer nach einem Monat, wenndie Rubrik nur einmal im Monat erschiene. Aus dieser falschen Interpret-ierung des Preßgesetzes allein hätte ich nun keine Konsequenz gezogen,wofern Sie nur am 26. Juni die Berichtigung in einer den sonstigen Anfor-derungen des Preßgesetzes entsprechenden Weise gebracht hätten. Leiderist dies nicht der Fall gewesen. Vielmehr haben Sie sie überhaupt nichtals preßgesetzliche Berichtigung abgedruckt, sondern als eine Zuschrift,deren Herkunft verschwiegen war und die ganz gut auch von dritter an derMaterie interessierter, aber nicht von der Behauptung betroffener Seite,gleichsam als ergänzender Beitrag, Ihnen zugekommen sein konnte. Siehaben nicht nur die Unterschrift des Absenders und den Hinweis auf diePerson des Berichtigungswerbers weggelassen, sondern auch den zitiertenSatz dem Gefüge der Berichtigung auf eine Art entnommen, daß er, vonjeder näheren Angabe befreit, überhaupt nicht mehr als die berichtigteStelle eines bestimmten Artikels der „Arbeiter-Zeitung“ zu erkennen war.Ich möchte es dahingestellt sein lassen, ob Sie wirklich glauben konnten,daß diese Art, eine Berichtigung zu zitieren, dem Preßgesetz entspricht,oder vermutet haben, daß der Berichtigungswerber sich damit abfinden

werde. Außerdem war aber der Teil, der die eigentliche Berichtigung ent-hält, in seinem Anfang durch die Weglassung ein iger er Zeilen um Sinn undstilistischen Zusammenhang gebracht, was offenbar auf einen technischenZufall zurückzuführen ist, den Sie in de r n folgenden Nummern nicht besei-tigt haben und der bedauerlicherweise gerade die Feststellung betraf,daß das Gegenteil der in dem Artikel ausgesprochenen Behauptung richtigsei.

Demnach ist die Berichtigung, die sowohl verspätet als vielfachentstellt erschienen ist, als überhaupt nicht erschienen anzusehen, undich ersuche Sie nunmehr, die in der Beilage enthaltene Korrektur in dernächsten Sonntags-Nummer nach dem Empfang dieser Zuschrift zum Abdruck zu bringen undgleichzeitig den Betrag von 100 S, der Notleidenden – zur Hälfte einembedürftigen Parteigenossen – zugewendet werden soll, nebst meinen Spesenin der Höhe von 20 S an mich zu überweisen. Sollten Sie auf diesen Vor-schlag nicht eingehen, so würde ich im gerichtlichen Wege den vollstän-digen Abdruck der Berichtigung und, ganz jenseits der Frage ihrer Ge-setzmäßigkeit, die Verurteilung aus den Gründen der Bestimmungen desPreßgesetzes … herbeiführen.

Mit vorzüglicher Hochachtung