89.12 Brief Erwin Ratz an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript

Sender

Erwin Ratz
Schottenring
Wien
Datum: 28. Jänner 1928

Empfänger

An: Doktor Samek
Schottenring
I., Innere Stadt
Seite von 2

Sehr geehrter Herr Doktor Samek!

Seit meinem letzten Telephongespräch mit Ihnen war ich bemüht, denvon Ihnen angegebenen Betrag zustande zu bringen, um die Angelegenheit, fürdie ich allein mich moralisch verantwortlich fühle und die ich bei meinerIhnen ja bekannten Einstellung zu Karl Kraus auf das tiefste bedauere, ausder Welt schaffen zu können. Ich muß Ihnen nun, so schwer mir’s fällt,mitteilen, daß ich das Geld nicht aufbringen kann und daher auf den mir vonIhnen angebotenen Weg einer Lösung verzichten muß, so sehr ich wünschte, daßder Strafantrag von Ihnen zurückgezogen würde, da mir der Ausgang diesesProzesses in jedem Fall nur unerwünscht sein kann. So bleibt mir keine andereMöglichkeit, als Sie nochmals – und durch Sie Herrn Karl Kraus – auf dasinständigste zu bitten, in Anbetracht des ganzen Sachverhaltes von einerweiteren Verfolgung abzusehen.

Ohne Ihre weiteren Entschließungen in irgendeiner Weise beeinflußenoder denselben vorgreifen zu wollen, übersende ich Ihnen gleichzeitig denBetrag von S 20.–, um Ihnen wenigstens einen kleinen Beweis meines gutenWillens zu geben und bitte Sie, diesen Betrag einem von Ihnen zu bestimmendenZweck zuzuführen. Ich tue dies, wiewohl auch dieser Betrag für mich ein Opferbedeutet, in der Erwägung, daß uns unter keinen Umständen aus der Veröffent-lichung dieses Bildes, die zwar ohne die geringste böse Absicht und ohne meinwissen erfolgte, ein Nutzen erwachsen soll und übermittle Ihnen daher diebeiliegenden S 20.– als Gegenwert für den Betrag von Mark 10.–, den meineSchwägerin seinerzeit für das Bild erhielt.

Mit der Bitte, Sie meiner Dankbarkeit, für Ihr bisheriges Entgegenkommen,und meiner Verehrung versichern zu dürfen, bin ich Ihr

sehr ergebenerErwin Ratz

KrausWeltspiegel 30. Jan. 1928