101.16 Brief Österreichische Rote Hilfe an Verlag Die Fackel

Materialitätstyp:

  • Durchschlag mit handschriftlichen Annotationen

Schreiberhände:

  • Frieda Wacha, Bleistift
  • Oskar Samek, schwarze Tinte

Sender

Österr. Rote Hilfe
Lerchengasse 13
Wien, VIII.
Datum: 6. August 1928

Empfänger

An: den | Verlag „Die Fackel“
Hintere Zollamtsstr. 3
Wien III.
Seite von 2

Abschrift

Wie wir bereits mitteilten, hat die Polizei am 14. Julials „das Schoberlied“ zum erstenmal kolportiert wurde, einem unsererGenossen 90 Exemplare weggenommen, die jedoch auf unsere Interventiongleich freigegeben wurden.

Wir gestatten uns Ihnen hiermit einige Mitteilungen überdie gestrige Kolportage zu machen.

Bei der gestrigen Kolportage anläßlich des Arbeiter-Sängerfestes, ist die Polizei in ganz unerhörter Weise gegen dieKolporteure vorgegangen. Wir hatten an vielen Stellen „das Schober-lied“ kolportiert und zwar hauptsächlich in der Hauptallee und inder Nähe der Sängerhalle. Die Ausgabe hatte einen glänzenden Absatz.Nach einer Stunde Arbeit wurden jedoch unsere Kolporteure verhaftet.(bis jetzt haben wir nur von 3 Bezirken Bericht erhalten und auf diebeziehen sich unsere Mitteilungen.)

Die Exemplare, die die Polizei vorfand wurden beschlag-nahmt, wobei erklärt wurde, das Schoberlied sei für die Straßenkolpor-tage nicht freigegeben worden. Unsere Genossen erklärten, daß dasselbeschon öfters kolportiert wurde und daß die Polizei die am 14. Julibeschlagnahmten Exemplare gleich wieder frei gab. Doch das nützte nichts.

Der in dem Polizeikommissariat Ausstellungsstraße dienst-habende Wachmann, sein Name konnte bisher nicht festgestellt werden,wir bemühen uns aber diese Feststellung zu machen – sagte einem unsererKolporteure, indem er die Hand zum Schlage ausholte, folgendes: Schonwieder einer von ihrer Hass und von ihrem Charakter, denn nur solcheLeute können solche niedrige Lieder gegen unseren Polizeipräsidenten verkaufen. Es ist eine Schande bei einem Sängerfest unserenHerrn Präsidenten herabzuwürdigen, haben sie so etwas auch beim deut-schen Sängerfest gesehen? In diesem Tone wurde die Untersuchung fort-gesetzt und daß der Polizist dem Genossen keinen Schlagversetzt hat, ist nur dem besonnenen und energischen Verhalten unseresGenossen zu verdanken, der ihm sagte: Es ist keine Kunst alsSchwerbewaffneter gegen einen wehrlosen Menschen stark zu sein.

Einem anderen Kolporteur sagte derselbe Beamte: Schämt ihreuch nicht, gegen unseren Präsidenten, vor dem jeder den Hut ziehenmuß, solche Lieder zu verbreiten? Der 15. Juli war für euch zu wenig,aber wir werden es schon besser machen. Dabei nannte der Wachmann alsBeispiel einige Terrorländer, wie Italien, Ungarn und Polen u.s.w.Die Genossen wurden solange am Kommissariate behalten, bis über sieInformation eingeholt wurde, daß sie ordentlich gemeldet und gegensie nichts vorliege.

Die Kolportage wäre glatt vor sich gegangen, wenn es möglichgewesen wäre, am Festplatz selbst dieselbe zu vertreiben. Das gestatte-ten jedoch die sozialdemokratischen Funktionäre nicht und erklärten,sie hätten den Platz gemietet und falls die Genossen nicht sofortweggingen, sie sie verhaften lassen würden. Die Schwierigkeiten wurdenalso nicht nur von der Polizei, sondern auch von den offiziellenVeranstaltern des gestrigen Arbeiter-Sängerfestes gemacht.

S[¿¿¿¿¿¿]

Wir senden heute einen Bericht an die proletarischenPressen über die gestrige Verhaftungen und insbesondere über dieBrutalitäten der Polizei gegenüber den Kolporteuren.

Wir werden trotz dieser Erfahrungen die Kolportage fort-setzen, zumal das Schoberlied sehr gerne gekauft wird. Wir werdenüber die Erfahrungen der anderen Bezirkskolporteure berichten,sobald wir Kenntnis hievon erhalten.

Mit vorzüglicher HochachtungÖsterreichische Rote Hilfe Schorr

P.S.Bei einem Kolporteur wurden 904 Exemplare,bei einem anderen 61 beschlagnahmt.

a) Ob Sabotage des Werkesb) Wenn Kaufmann wurde antipatisches Instrument