115.1 Brief Samek an Siegfried Geyer

Materialitätstyp:

  • Durchschlag

Sender

Dr. OSKAR SAMEK | RECHTSANWALT
Schottenring 14
Wien I.
Datum: 20. November 1928
Betreff: Kraus – Geyer.
Diktiersigle: Dr.S./Fa.

Empfänger

An: Herrn | Siegfried Geyer, | Redakteur der „Stunde“
Canisiusgasse Nr. 8–10
Wien IX.
Seite von 2

Sehr geehrter Herr!

Herr Architekt Adolf Loos hat dem von mirin allen Angelegenheiten vertretenen Herrn Karl Kraus die Mittei-lung gemacht, Sie hätten sich dahin geäussert, dass Herr KarlKraus seine Vorlesung im Grossen Konzerthaussaale auf den 30. No-vember 1928 angesetzt habe, um der am gleichen Tage stattfinden-den Gerichtsverhandlung nicht beiwohnen zu müssen. Tatsächlichwurde der Termin der Vorlesung lange vor dem Gerichtstermin ange-setzt und das Plakat der Vorlesung war erschienen, ehe der Vortra-gende aus den Zeitungen von dem Tag der Verhandlung erfuhr. Tat-sache ist ferner, dass Herr Karl Kraus sofort, als er von demTermin der Hauptverhandlung erfuhr, sich die Möglichkeit ge-sichert hat, am 1. Dezember, dem zweiten Verhandlungstag, als Zeugeeinvernommen zu werden.

Ich richte an Sie das Ersuchen, sich entwederzu der Aeusserung, welche indirekt den Vorwurf einer im höchstenGrade unhonorigen Handlung dem bedrängten Freunde und verehrtenManne gegenüber enthielt, zu bekennen oder sie mit dem Ausdruck

des Bedauerns zurückzuziehen. Falls Sie sich darauf berufen soll-ten, dass Herr Architekt Loos bekanntlich schwerhörig ist, sowerden Sie wohl in der Lage sein, anzugeben, welche Aeusserungdas Missverständnis herbeigeführt hat.

Mit dem Ausdrucke der Hochachtung

Betr. KrausGeyer exp. am 20.11.1928.