125.130 Entwurf einer Klage gegen Wenzel Goldbaum an den Vorstand der Anwaltskammer

Schreiberhände:

  • schwarze Tinte

Materialitätstyp:

  • Durchschlag mit handschriftlichen Überarbeitungen
Datum: 23. Februar 1933
Seite von 3

Wien, am

An denVorstand der Anwaltskammer Berlin W.35 Schöneberger Ufer 36

Namens und in Vollmacht des Verlages „Die Fackel“ in Wien III, Hintere Zollamtstrasse 3 erstatte ich hiermitgegen den Rechtsanwalt Wenzel Goldbaum in Berlin W.8, Wilhelmstr.Nr. 52 folgende Anzeige:

Meine Mandantin hatte im vorigen Jahre einen Rechtstreitgegen die Städtischen Bühnen A.G., Frankfurt a.M. angestrengt,in welchem Termin zur mündlichen Verhandlung vor demBühnenschiedsgericht, Berlin, am 2. März 1932 anberaumt war.Der mündlichen Verhandlung wohnt als zufälliger Zuhörerder Rechtsanwalt Goldbaum bei, der auf eine später anstehendeSache, in der er Prozessbevollmächtigter war, wartete. Währendder Verhandlung des von meiner Mandantin angestrengten Rechtstreitshatte sich Rechtsanwalt Goldbaum zeitweise entfernt und war ineinem Augenblick zurückgekehrt, als der Anwalt der StädtischenBühnen, Rechtsanwalt Tovote, auf das Plädoyer des Prozess-bevollmächtigten meiner Mandantin, Rechtsanwalt Dr. WillyKatz, erwiderte. Ohne die Beendigung des Plädoyers vonRechtsanwalt Tovote abzuwarten, fiel er diesem in’s Wortund

und rief gegen den Vorsitzenden, LandgerichtsdirektorDr. Weigert gewendet, der Inhaber meiner Mandantin,der Schriftsteller Karl Kraus, sei gar nicht Mitglieddes Verbandes Deutscher-Bühnen-Schriftsteller. Die gegnerischePartei griff diesen Einwand, der eine ihr bis dahin un-bekannte Tatsache betraf, sofort auf. Hiermit aber nichtgenug, riss Dr. Goldbaum, trotz des Einspruchs von Rechts-anwalt Dr. Willy Katz und trotz wiederholter Rügen desLandgerichtsdirektors Dr. Weigert, mehrfach das Wort ansich und verhielt sich so, als ob er nicht als Zuhörerder Verhandlung beiwohnte, sondern an ihr als Parteiver-treter beteiligt wäre. Die Folge seines Eingreifens war,dass meine Mandantin die Klage zurücknahm und sie inWien anhängig machte, wodurch ihr ein erheblicher Zeit-verlust und materielle Unkosten entstanden sind. Davonabgesehen und abgesehen von dem Umstand, dass Dr. Goldbaum behauptete, die Interessen des Verbandes Deutscher-Bühnen-Schriftsteller wahrzunehmen, vollzog sich sein Eingreifenin Formen, die durch keinen Anspruch der Wahrnehmungirgendwelcher für berechtigt an ge zu sehende n r Interessen gedecktwerden können. Dafür spricht, dass der Vorsitzende sichdie wiederholten Zwischenrufe und Zwischenreden desDr. Goldbaum mehrfach energisch verbat und ihn schliess-lich mit den Worten: „Seien Sie endlich ruhig“, zurechtwies.Zum Beweis für die Richtigkeit der hier gegebenen Dar-stellung beziehe ich mich auf eine von der Anwalts-kammer einzuholende Auskunft des Vorsitzenden

Landgerichtsdirektor Dr. Weigert, Berlin-Grunewald,

Wangenheimstrasse 12

und des

Rechtsanwalt Dr. Willy Katz, Berlin SW.68,Friedrichstrasse 204.

Das Verhalten des Herrn Dr. Goldbaum dürfte nicht unbeein-flusst von der Tatsache sein, dass er zu dem SchriftstellerAlfred Kerr, gegen den der Inhaber meiner Mandantin eineReihe literarischer Polemiken geführt hat, gute Beziehungenunterhält und diesen auch in Rechtstreitigkeiten gegenüberHerrn Kraus als Prozessbevollmächtigter vertreten hat. SeinVerhalten lässt die Rücksichtnahme auf die durch das Standes-interesse gebotene Zurückhaltung bei einem Rechtstreit zwischendritten Personen, wie auch auf die berechtigten Ansprüche derKollegialität gegenüber anderen Rechtsanwälten vermissen.

HochachtungsvollRechtsanwalt