125.151 Beweisabschluss des Landesgerichts für Z.R.S. Wien

Materialitätstyp:

  • Durchschlag
Datum: 21. September 1933
Seite von 4

7 Cg 322/3221

In der Rechtssache der klagendenPartei Verlag „Die Fackel“, Herausgeber KarlKraus, prot. Firma in Wien, III., Hintere-Zollamtsstrasse 3, vertreten durch Dr. Oskar Samek,Rechtsanwalt in Wien, I., Schottenring 14, widerdie beklagte Partei Stadt Frankfurt a/M. als Kon-zessionärin der Frankfurter städt. Bühnen, zuhandendes Magistrates Frankfurt a/M., vertreten durchDr. Richard Pressburger, Rechtsanwalt in Wien, I.,Kärntnerring 12, wegen RM. 2.000.– s.A., hat dasgefertigte Gericht folgendenBeweisbeschluss gefasst:

Der Sachverhalt, der der Klagezugrundeliegt, wird vom Kläger in folgender Weisedargestellt:

Zwischen den Prozessparteien seiim Mai 1929 ein Aufführungsvertrag bezüglichdes Werkes „Die Unüberwindlichen“ von Karl Kraus abgeschlossen worden und habe nach mehrmaligenVerlegungen des Termines die Beklagte sich schliess-lich verpflichtet, das erwähnte Stück zwischen1.10. und 31.12.1931 aufzuführen. Tatsächlich seidas Stück aber erst am 10.2.1932, und zwar nichtdurch das Ensemble des Frankfurter Schauspiel-hauses, sondern durch ein Ensemble des LeipzigerKomödienhauses in Frankfurt aufgefuhrt worden.Es habe nur eins einzige Aufführung stattgefunden

und sei das Gastspiel des Leipziger Komödien-hauses in Frankfurt von vornherein als ein ein-maliges vereinbart und damit jede Auswertung desErfolges vereitelt worden.

Die beklagte Partei wendet dagegen ein,dass das Stück in der heutigen Zeit völlig unauf-führbar sei und bei der Aufführung am 10.2.1932,also in der guten Theaterzeit, die Gesamteinnahmennur RM. 141.65 betragen hätten, während sich dieAusgaben auf RM. 1.750.– beliefen.

Dass es nur zu einer einmaligen Auf-führung gekommen sei, habe daher nicht in einerAbmachung mit dem Leipziger Komödienhaus, wonachangeblich von vornherein nur ein einmaliges Gast-spiel ins Auge gefasst worden sei, seinen Grund,sondern in dem Misserfolg des Stückes.

Tatsächlich wären „Die Unüberwindli-chen“ in weitesten Kreisen auf schärfste Ablehnunggestossen. So habe z.B. der Kritiker der „Frank-furter Nachrichten“, Dr. Bringezu, am 10.11.1932,an den Direktor des Frankfurter Schauspielhauses,Dr. Kronacher, einen Brief gerichtet, in dem erdavon spricht, dass die seinerzeitige Aufführungfast zu einem Theaterskandal geführt hätte unddass er wiederholt Gelegenheit gehabt habe, mitFrauen und Männern, mit Protestanten, Juden,Katholiken und auch kirchlich Indifferenten überdas Stück zu sprechen; die Tatsache, dass hierdas religiöse Empfinden weiterer Kreise auf das

empfindlichste verletzt worden sei, wurde vonniemandem bestritten.

Das Publikum habe während der Aufführungdas Theater schimpfend und fluchtartig verlassen.

Der Kläger bringt dagegen noch vor, dassdie Einnahmen bei der Aufführung nicht 141.65 RM.,sondern nach der Tantiemenverrechnung der beklag-ten Partei 951.97 S betragen hätten.

Zugelassen wurde der Beweis:

1.) durch Dr. Bringezu über seineWahrnehmungen, welche Aufnahme und Beurteilungdas Stück „Die Unüberwindlichen“ bei deren Auf-führung im Frankfurter Schauspielhaus gefunden undwas den Anstoss zu seinem Schreiben vom 10.11.1932 gegeben hat und ob die darin enthaltenen Angaben,dass sich das Publikum durch dieses Stück abge-stossen fühlte und gegen dasselbe ablehnend ver-halten hat, richtig seien;

2.) durch Dr. Kronacher und PaulVerhöven darüber, welche Wahrnehmungensie bezüglich der Beurteilung dieses Stückes durchdas Publikum gemacht haben und weiters, welchenKassenerfolg dieses Stück hatte; und ferner obfür den Fall, dass das Stück mit Erfolg aufgeführtworden wäre, weitere Aufführungen in Aussicht ge-nommen waren, bezw. ob überhaupt von vornhereinnur eine Aufführung mit dem Ensemble desLeipziger Komödienhauses vereinbart worden war.

3.) durch Kurt Meister darüber,dass die Beklagte mit dem Leipziger Komödienhaus

nur eine einmalige Aufführung der „Unüberwindlichenim Frankfurter Schauspielhaus vereinbart hatte.

Um die Einvernahme der Zeugen:

Direktor Dr. Kronacher, Frankfurt a/M.,Frankfurter Schauspielhaus,

Paul Verhöven, Regisseur, Frankfurt a/M.,Grüner Burgweg 39, und

Dr. Bringezu, Frankfurt a/M., p.Adr. „Frank-furter Nachrichten“,

wird unter Anschluss einer Abschrift vom 10.11.1932dasAmtsgericht Frankfurt a/M.,um die Einvernahme des Zeugen Kurt Meister,Schauspieler, Wesermünde, Brakerstrasse 17,wird dasAmtsgericht Geestemünde ersucht.

Die Parteienvertreter wollen von denEinvernehmungstagsatzungen verständigt werden.

Landesgericht für ZRS. Wien Abt. 7, am 21.9.1933.Schweitzer

KrausFrkf. städt. B. 9. OKT. 1933