133.20 Brief RA Johann Turnovsky an Kraus

Materialitätstyp:

  • Typoskript

Sender

JUDr. JOHANN TURNOVSKY | Advokat
Vodičkova 33
PRAG II.
Datum: 12.XII.1933

Empfänger

An: P.T. | Herrn Karl Kraus
Hotel Palace
Prag
Seite von 2

Hochgeehrter Herr Kraus.

Leider muss ich Sie in der Angelegenheitgegen Erich Schamschula belästigen. Bei der heutigen Hauptver-handlung war der persönlich erschienene Schuldner zum erstenMale durch einen Anwalt vertreten und brachte Folgendes vor:

Es besteht zwar aus der Verrechnung überdie durch Schamschula arrangierten Vorträge für Sie ein ge-wisses Guthaben, Schamschula hat Sie jedoch ersucht, ihm denschuldigen Betrag als Darlehen zu belassen. Die Endabrechnunghätte nach Abhaltung der weiteren, damals geplanten Vorträgeerfolgen sollen. Da Sie auf den betreffenden Brief nicht ge-antwortet haben, musste Schamschula annehmen, dass Sie mitseinem Vorschlage einverstanden sind umsomehr, als er gegenSie auch noch eine Forderung aus dem Arrangement eines Vor-trages in Gablonz a.N. hat. Für das Arrangement dieses Vor-trages hat er bisher keine Entlohnung erhalten.

Trotzdem ist er bereit, den Betrag von939.– Kč, beginnend mit 1.I.1934, in kleinen Monatsraten zubezahlen. Grössere Zahlungen kann er nicht leisten, zumal erkeinen ständigen Erwerb hat und nur hie und da in dem neugegründeten Prager Symfonieorchester gegen ganz geringe Ent-lohnung als Geiger beschäftigt ist. Er beantragt Ihre Einver-nahme als Zeuge über die Darlehensgewährung und Gegenforderung.

Darauf erklärte ich, dass von einer Dar-lehensgewährung oder gar einer Gegenforderung absolut keineRede sein könne und teilte dem Gerichte mit, dass Sie geradein Prag anwesend seien und vernommen werden könnten.Der Richter ersuchte mich, zu veranlassen, dass Sie im Laufedes heutigen Vormittages bis 2 Uhr nachmittags im Verhandlung-saal Nr. 82 – II Stock des Strafbezirksgerichtes Prag – II Ecke Lazarská und Spálená ulice / Brenntegasse / erscheinen.

Da ich Sie nicht stören wollte, anderer-seits aber selbst durch andere Verhandlungen verhindert bin,Ihnen das Ersuchen des Richters persönlich mitzuteilen undSie zu Gericht zu begleiten, gestatte ich mir Ihnen auf diesemWege den Wunsch des Richters bekanntzugeben und Sie zu bitten,wenn es Ihnen möglich ist, in der angegebenen Zeit selbst beiGericht zu erscheinen.

Sollten Sie der Aufforderung des Gerichtes nicht nachkommen können, dann wollen Sie bitte durch denHotelportier unter Tel. Nummer 315-5-1, oder 315-5-4, HerrnBezirksrichter Dr. Josef Gednorožec verständigen lassen, gegebenen-falls angeben, wann Sie erscheinen können.

Ich zeichne in vorzüglichster HochachtungIhr ergebener:Dr. Turnovsky