133.21 Brief RA Johann Turnovsky an Samek

Materialitätstyp:

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Sender

JUDr. JOHANN TURNOVSKY | Advokat
Vodičkova 33
PRAG II.
Datum: 2.II.1934
Betreff: Karl Kraus – Schamschula

Empfänger

An: P.T. | Herrn Dr. Oskar Samek
Schottenring
Wien
Seite von 2

Sehr geehrter Herr Doktor.

Vor der für den 1. d.M. anberaumtenHauptverhandlung überwies mir der Gegenanwalt Kč 100.– undstellte mir eine Haftungserklärung zu, nach welcher er per-sönlich für die Restschuld des Schamschula per 839.30 Kčund für deren Bezahlung in Monatsraten von Kč 50.–, beginnendmit 1.III.1934 unter Terminsverlust, die Bürgschaft über-nimmt. Schamschula selbst verpflichtete sich ausserdem zurBezahlung der Zinsen und Kosten.

Der Gegenanwalt wies darauf hin, dasssein Mandant keine Beschäftigung habe und sich in den schlech-testen Finanzverhältnissen befinde. Er könne nur durch gelegent-liche Mitwirkung in einem neu gebildeten Orchester, welchessehr selten konzertiert, einige Kronen verdienen und seisonst auf Unterstützungen seiner Freunde und verwandten ange-wiesen.

Da ich die Ueberzeugung gewonnen habe, dassSchamschula selbst niemals zahlen wird, insbesondere wenn erverurteilt werden sollte und sein Anwalt die Haftung nur dannübernehmen wollte, wenn ich nicht für die Verurteilung desBeschuldigten plaidiere, habe ich mich bei der Hauptverhandlung auf die Feststellungbeschränkt, dass die Verteidigung des Angeklagten auf unwahrenTatsachen gegründet sei, zumal keine Rede davon sein könne,

dass ihm der zu Unrecht inkassierte Betrag gestundet wordensei oder dass ihm gar gegen Herrn Kraus eine Gegenforderungzustehe.

Der Richter Dr. Gednorožec verkündete den Freispruchmit der Begründung, dass es sich um ein zivilrechtlichesVerhältnis handle, bemerkte jedoch, nachdem ihm von uns dasUebereinkommen betreffend die Zahlung mitgeteilt worden war,dass ich eine neue Strafanzeige überreichen könne, wennSchamschula nicht zahlen sollte, da dies einer Irreführunggleichkäme , durch welche er mich veranlasst hat, nichtauf seiner Verurteilung zu bestehen.

Trotzdem die Raten, in welchen die Forderung bezahltwerden soll, sehr gering sind, glaube ich doch der Sache inder eben geschilderten Weise am besten gedient zu haben, dawenigstens die Bezahlung der Kapitalsschuld, wenn auchlangsam, so doch unter Haftung eines solventen Bürgen erfol-gen wird.

Ich bitte, Herrn Kraus hievon Mitteilung zu machenund zeichne

in vorzüglicher Hochachtung ergebener:Dr. Turnovsky

KrausSchamschula3. FEB. 1934