134.4 Zeugenaussage von Fritz Löwy

Schreiberhände:

  • Oskar Samek, Bleistift

Materialitätstyp:

  • Durchschlag mit handschriftlichen Annotationen
Datum: 12. Juni 1929
Seite von 2

Ich, Fritz Löwy, Wien XVI. Hasnerstr. 40, gebe folgendeErklärung ab:

Ich besuchte am 10. Juni 1929 die im grossen Vortrags-saal des Oesterr. Ingenieur- und Architekten-Vereines geboteneVorlesung von Karl Kraus, zu der ich mir am Vormittage des-selben Tages in der Buchhandlung Lanyi um den Preis von 2.56 Seine Karte gekauft hatte, die ich beilege. Zu dem gekauftenProgramm wurde als Beilage ein Blatt der Arbeiter-Zeitungvom 9. Juni 1929 verteilt, das eine Rezension über den Offen-bachzyklus enthält, den Karl Kraus liest, welcher Artikel vonDr. Paul A. Pisk unterzeichnet ist. Auf diesem Zeitungsblatt,das ich ebenfalls samt dem Programm beilege, waren mehrereStellen rot angestrichen. Auf den genannten Artikel bezog sichauch grösstenteils die erste Nummer des Programmes der Vor-lesung vom 10. Juni „Bekenntnis zum Tage“, aus der ich fol-gende Stellen zitiere. Die Niederschrift war dadurch erschwert,dass der Saal vollkommen verfinstert war. Doch entsprechen dieZitate dem Sinn und Wortlaut der Vorlesung. Ich bemerke, dasssich die genannten Stellen unmissverständlich auf die Persondes Herrn Dr. Paul A. Pisk bezogen:

… das gegen mich wirkende Schlieferl- und Tinterltum …… der Musikkritiker des Organs, der Referent, der seitJahren den Kitsch der bürgerlichen Operette toleriert undbejaht …

… unter dem Vorwand einer Fachkritik …… die leichtfertige journalistische Mache wird abgelöstvon der planvollen …

„ … das Schlieferl schreibt: …“ (bei Zitaten aus demFeuilleton).

… kümmerliches Fachwissen …… bessere Schönbergschüler haben anders gesprochen …… unter fachlichem Vorwand eine üble Gesinnung auszu-drücken …… dass ich in solcher Fachkritik eine Petite erkenne,Correpetite …… der unappetitliche Plan, meine Eingabe an seine Kunstherabzuwürdigen …„… armseliges Fachwissen …“… diese armen Teufel nennen sich Fachmänner …… jede Parole gegen mich nach Partei- und Redaktionsbe-schluss gebrauchsfertig machen …… Schlieferlpraktiken …Zum Schluss: „Ich muss nachsehen, ob sich das Schlieferl wiederim Saal befindet.“

Andere Angriffe richteten sich in ausgesprochener oder indeutlich erkennbarer Weise gegen die Herren Dr. David JosefBach, Dr. Otto Koenig und Dr. Oskar Pollak, dem Kraus unteranderem Vorwarf, er habe den Aufsatz „Kriegsbücher“ in derMainummer des „Kampf“ nur zu dem Zwecke geschrieben, um dasBuch: „Die letzten Tage der Menschheit“ von Kraus nicht zunennen. Auch die „Arbeiter-Zeitung“ und die SozialdemokratischeArbeiterpartei Deutschösterreichs wurde korporativ mehrfachangegriffen.

Ich stelle mich zur Bekräftigung der Richtigkeit die-ser Angaben jeder Instanz zur Verfügung.

Fritz Löwy Wien, am 12. Juni 1929. Wien 16. Hasnerstrasse 40/18 Fritz Löwy