134.8 Brief Hanns Eisler an Samek
Materialitätstyp:
- Typoskript
Sender
Hans EislerSächsische Straße
Berlin W15
Empfänger
An: Herrn | Dr. Oskar SamekSchottenring
Wien
Sehr geehrter Herr Doktor,
Auf Ihren Brief vom 29. Nov. erlaube ich mir folgen-des zu antworten:
Den Hauptgrund, Herrn Dr. Pisk als „Schliaferl“ zu be-zeichnen, sehe ich darin, dass Dr. P. durch längere Zeit,obwohl er sozialdemokratisches Parteimitglied und obwohler Redakteur der Arbeiterzeitung, also Parteiangestellter ist, als Wiener Korrespondent der Berliner Börsenzeitg.tätig war.
Die Berliner Börsenzeitung ist ein Blatt der Unterneh-mer und schwankt parteipolitisch zwischen der deutschenVolkspartei und den Deutschnationalen. Diese Zeitung be-kämpft nicht nur aufs heftigste politisch die Arbeiter-schaft, sondern ist selbstverständlich auch in allen künst-lerischen Fragen reaktionär eingestellt. Das hinderte aberDr. Pisk nicht, an diesem Blatte mitzuarbeiten. Von derWiener Arbeiterschaft für seine Dienste Geld nehmen, zugleicher Zeit von den Feinden der Arbeiterschaft, den Un-ternehmern sich bezahlen zu lassen, diese Handlung müss-te mit dem Ausschluss aus der Partei und dem Herauswurfaus der Redaktion der Arbeiterzeitung belohnt werden.
Diese Tatsache beweist einen so erstaunlichen morali-schen Tiefstand, dass sich Dr. Pisk bei Karl Kraus für dieso nachsichtige, liebenswürdig verzeihende Aeusserung„Schliaferl“nur bedanken dürfte.
In vorzüglicher HochachtungIhr ergebenerHanns Eisler
PS. Sie würden gut tun, sehr geehrter Herr Dr., sichdie Jahrgänge der Berl. Börsenzeitg 1926/27/28 kommenzu lassen und geeignete Beiträge des Dr. P., wie z.B.Bericht über die Uraufführung des Apostelspiels vonMax Mell und viele andere bei der Verhandlung vorzulesen.
Kraus – Dr. Pisk 9. DEZ. 1929