134.33 Brief Franz Leschnitzer an Samek

Materialitätstyp:

  • Manuskript

Sender

Franz Leschnitzer
Rosenheimer Str. 11 | bei Schneider
Berlin W. 30
Datum: 25.IX.1930

Empfänger

An: Oskar Samek
Schottenring
I., Innere Stadt
Seite von 6

Sehr geehrter Herr Doktor Samek!

Gemäß meinem Versprechen habe ichdie Tätigkeit des Herrn Dr. Paul AmadeusPisk in einem rechtgerichteten Berliner Blattenachgeprüft. Das Ergebnis dieser Nachprüfungist die Feststellung, daß Herr Dr. Pisk zwarnicht am Berliner Lokal-Anzeiger mitar-beitet (wie ich auf Grund einer mißver-ständlichen Mitteilung angenommen habe), daßer jedoch zu den ständigen Mitarbeiternder Berliner Börsen-Zeitung gehört, welchenoch weiter rechts steht als der Lokal-Anzeiger. Dieser, ein Hugenberg-Blatt, ist„bloß“ deutschnational, während die Börsen-Zeitung, wie Sie aus der beigefügten Abend-ausgabe vom 9. September (S. 2) ersehen, die ParoleFort von Hugenberg!“ ausgegeben hat, umim Wahlkampf sogar die Konservativen zu unterstützen. Ebendiese Abendausgabe,auf deren zweiter Seite der Satz steht: „Esgenügt nicht, daß man gegen den Mar-

xismus und Sozialismus den schärfsten Kampfansagt; er muß aktiv durchgeführt werden– enthält, wie Sie sehen, auf derdritten Seite einen Bericht über das „Inter-nationale Musikfest in Lüttich“, den HerrDr. Paul A. Pisk als „unser Sonderbe-richterstatter“ verfaßt hat. Um Ihnenvor den Wiener Richtern, welche die stock-nationalistische Börsen-Zeitung vielleicht mitdem liberalen Börsen-Courier verwechseln, denBeweis zu erleichtern, daß jene ein Blattist, an dem nur ein „Sozialist“, derdie Bezeichnung „Schlieferl“ wirklich ver-dient, mitarbeiten kann – habe ichmir die beigefügte Nummer vom Wahl-tag (14. September) verschafftdie zwar keinen Beitrag des Herrn Pisk publiziert, aber, auf der ersten Seite,die schärfsten antisozialistischen Attackenvollführt hat. Dem Beweis, daß Herr Dr.Paul Amadeus Pisk ständiger Mitarbeiter der Berliner Börsen-Zeitung ist, möge der

Nachweis dienen, daß er ebenda in derZeit vom 1. Januar bis zum 30. April1930 die folgenden Beiträge hat erscheinenlassen:

1) „Theaterkarneval in Wien“ (9. Ja-nuar, morgens, in der Unterhaltungs-Beilage„Kunst/Welt/Wissen“);

2) „VerdisSimone Boccanegra‘ inder Wiener Staatsoper. Uraufführung der Wer-felschen Neufassung“ (13. Januar, abends,auf Seite 3 des Hauptteils);

3) „Wiener Lustspielpremieren“ (17.Januar, morgens, in „Kunst/Welt/Wissen“);

4) „Wiener Premieren“ (29. Januar,morgens, in „Kunst/Welt/Wissen“);

5) „Wiener Theater“ (19. Februar,abends, auf Seite 3 des Hauptteils);

6) „Wiener Premieren“ (26. Februar,morgens, in „Kunst/Welt/Wissen“);

7) „Uraufführung einer neuen Sin-fonie in Wien“ (15. März, morgens, in„Kunst/Welt/Wissen“);

8) „Wiener Premieren“ (20. März,abends, auf Seite 3 des Hauptteils);

9) „Wiener Theaterbrief“ (25. März,morgens, in „Kunst/Welt/Wissen“);

10) „Wiener Premierenhochflut“ (3.April, morgens, in „Kunst/Welt/Wissen“);

11) „Eine nachgelassene Janaček-Oper. Uraufführung am Nationaltheater inBrünn“ (16. April, morgens, in „Kunst/Welt/Wissen“);

12) „Neues Theater in Wien“ (17.April, morgens, in „Kunst/Welt/Wissen“);

13) „Wiener Osterpremieren“ (25.April, morgens, in „Kunst/Welt/Wissen“).

Also in 4 Monaten 13 Beiträge;ungefähr im Umfang von je 150 Zeilen;im Thema nicht nur Musik-, sondernoft auch Dramenkritiken (z.B. Kritikder HilpertschenFiesco‘-Aufführung imBurgtheater). Der Beitrag vom 15. Märzist als Bericht „unseres Dr. P.-Mitarbeiters

erschienen; unter dem Text der anderenvon mir genannten Beiträge findet sichdurchweg der Name „Dr. Paul A. Pisk“.

Regensburgers Schrift „Die preßgesetzlicheBerichtigungspflicht“, eine Rostocker Disser-tation, ist, wie ich nun endlich feststellenkonnte, im Jahre 1911 in Braunschweig erschienen; statt einer Verlagsangabe ent-hält sie die Bezeichnung „Druck vonJoh. Heinrich Meyer“.

Mit der Bitte um Bestätigung des Em-pfangs dieser Sendung und mit herzlichenGrüßen – auch an Herrn Kraus –:

IhrFranz Leschnitzer.

KrausDr. Pisk 26. SEP. 1930