144.28 Brief Samek an RA Richard Frankfurter

Materialitätstyp:

  • Durchschlag

Sender

Oskar Samek
Schottenring
I., Innere Stadt
Datum: 18. Juni 1931
Betreff: Kraus – Altenberg Auswahl
Diktiersigle: Dr.Sa/W

Empfänger

An: Wohlgeboren | Herrn Justizrat Dr. Richard Frankfurter, | Rechtsanwalt
Nikolsburgerplatz 2
Berlin-Wilmersdorf
Seite von 4

Sehr geehrter Herr Kollege!

Die Beantwortung Ihres gesch. Schreibens vom 2. Junihat sich deshalb hinausgeschoben, weil nunmehr auch meinerseits eineErgänzung der Information notwendig geworden ist.

Herr Kraus ist nicht in der Lage dem von IhrerMandantin eingenommenen Standpunkt Rechnung zu tragen oder ihn anzu-erkennen. Es mag sein, dass die Berechnung des Fischer Verlagesstimmt und dass der Auswahlband ca. 600 Seiten umfassen würde. MeinemKlienten ist es aber aus künstlerischen Gründen nicht möglich eineweitere Kürzung der Auswahl vorzunehmen, weil ein Auswahlband unbe-dingt einen Ueberblick über das Gesamtschaffen Peter Altenberg’sgeben muss und daher von jeder Art Stücken eines oder mehrere inihm enthalten sein muss. Dass dadurch der Absatz der einzelnenWerke gefährdet erscheint, dürfte nicht zutreffen, da der Auswahl-band ja vielleicht gerade die Wirkung hat, das Publikum für dasGesamtschaffen des Künstlers zu interessieren. Wenn es lediglichdarauf ankommt, dass das Publikum „naturgemäss annimmt, dass dasBeste und Interessanteste darin enthalten ist und ein Verkauf dereinzelnen Werke dann kaum noch erfolgen könnte,“ so ist dazu zusagen, dass diese Annahme sich bei einem Auswahlband von 400 Seiten

eintreten kann und ebenso oder ebensowenig eintreten wird wie beieinem von ca. 600 Seiten. Ganz besonders aber muss ich auf dieUnrichtigkeit hinweisen, dass der jetzige Auswahlband um etwa 200Seiten über das hinausgeht, was seinerzeit in Aussicht genommen war.Herr Sigismund von Radecki, welcher im Namen des Herrn Kraus seiner-zeit die Verhandlungen mit dem Verlag S. Fischer führte, bestreitetes auf das entschiedenste, dass von Seiten des S. Fischer Verlag esetwa 400 Seiten als Höchstgrenze in Aussicht genommen war, da er dasnatürlich auch sofort Herrn Kraus mitgeteilt hätte, der unter diesenUmständen die Arbeit der Zusammenstellung eines Auswahlbandes über-haupt nicht auf sich genommen hätte, weil er sich bei der Stärke desAuswahlbandes lediglich von dem oben dargelegten künstlerischen Grund-satze leiten lassen kann und diesem nicht Rechnung getragen wird,wenn der Auswahlband nicht eine Uebersicht über das Gesamtschaffengibt. Auch ist diese Frage jetzt schon ganz hinfällig geworden,weil Herr Kraus das Manuskript des Auswahlbandes dem S. Fischer Ver-lag seinerzeit übergeben liess und dieses Manuskript noch über dashinausging, was jetzt zum Abdruck kommen soll. Als Sie nun im Namendes S. Fischer Verlag es am 7. April 1930 Herrn Kraus das Recht zurHerausgabe in einem anderen Verlag freigaben, so war damit selbst-verständlich das Recht gegeben, das dem S. Fischer Verlag übergebeneManuskript vollständig zu benützen und zum Abdruck zu bringen.

Was die weiteren Bestimmungen Ihres Schreibens vom 2. Junianlangt, so ist zwar früher niemals vereinbart worden, dass das Buch nur in einem Band erscheinen darf. Der Schroll Verlag hat aber ohne-dies die Absicht, die Auswahl nur in einem Band herauszugeben und fürdie würdige Ausstattung desselben bürgt wohl der Name des Verlages und das Ueberprüfungsrecht des Herrn Kraus.

Was die Bestimmung betrifft, dass das Urheber- und Verlags-recht für den Auswahlband auf die Lebenszeit des Herrn Kraus über-lassen wird, mindestens aber auf 10 Jahre vom 1. Juli 1931 an gerech-net, so entbehrt diese Bestimmung der notwendigen Ergänzung, dassdie innerhalb dieser Zeit gedruckten Exemplare noch zur Auslieferunggebracht werden dürfen, auch wenn der Termin bereits abgelaufen ist.

Die Zustimmung der Kinder Schutz- und RettungsgesellschaftWien als Erbin des Herrn Peter Altenberg wurde bereits eingeholt.

Dass das Werk „Bilderbögen des kleinen Lebens“ in einemanderen Verlag erschienen ist, hat der Schroll-Verlag zur Kenntnisgenommen und wird die notwendigen Schritte zur Berechtigung des Ab-druckes aus diesem Werk unternehmen.

Der Schroll-Verlag hat sich auch bereit erklärt, ihnen eineAbschrift der jeweils der Kinder Schutz- und RettungsgesellschaftWien gelegten Verrechnung zu übersenden.

Ich bitte Sie also diesen Brief an Ihre Mandantin weiter-zuleiten, zu welchem Zwecke ich auch eine Abschrift beilege und siezu veranlassen, die Kinder Schutz- und Rettungsgesellschaft nunmehrzu benachrichtigen, damit die Sache vollständig in Ordnung geht.

Mit vorzüglicher kollegialer Hochachtung

P.S. Ich möchte noch erwähnen, dass der Standpunkt Ihrer Man-dantin, es sei der Zeitpunkt für die Herausgabe eines Sammel-buches zur Zeit ungeeignet, keinesfalls zutrifft, es wäre denn,dass noch immer der Grund, aus dem der Verlag S. Fischer denVertrag nicht selbst durchführte, nämlich die Rücksicht auf Kerr,noch immer fortwirkte.

Kraus Altenberg Auswahl exp. 19/6.31