146.45 Schriftsatz in Zwangsvollstreckungssachen Kraus ./. Aufricht (RA Gustav Schoeps an das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg, G.Z. 19. M. 4060/31)

Materialitätstyp:

  • Durchschlag
Datum: 4. Juni 1931
Seite von 4

Berlin, den 4. Juni 1931.

An dasAmtsgerichtCharlottenburg,Amtsgerichtsplatz

Eilt sehr! Versteigerungstermin am:16. Juni 1931.Sofort vorzulegen.

In Zwangsvollstreckungssachendes Schriftstellers Karl KrausWien III, Hintere Zollamtsstrasse 3,Gläubiger,vertreten durch den RechtsanwaltDr. Laserstein, Berlin, N.O.18.,Landsberger Allee 115/116,

gegen

den Theaterdirektor Ernst Josef Aufricht Berlin-Wilmersdorf, Landauerstrasse 4,Schuldner,vertreten durch den RechtsanwaltJustizrat Dr. Gustav Schoeps, Berlin, C.25.,Alexanderstrasse 53,

hat der Gerichtsvollzieher Schultzen, kr.A.Berlin-Steglitz, Friesenstrasse 2 III, am28. Mai 1931 in der Wohnung des Schuldners,Landauerstrasse 4, die folgenden Sachen ge-pfändet:

Taxe:6 Paar schwarze Halbschuhe 18,––1 Paar braune Halbschuhe 5,––1 Paar Lack-Halbschuhe 5,––1 Gehrock m. gestreifter Hose 10,––3 Anzüge 30,––2 Hüte 2,––

Ich erhebe hierdurch in anliegender Vollmachtdes Vollstreckungsschuldners auf Grund der §§766, 811 Nr.1 und 5, und 803 C.P.O.

Erinnerung

mit dem Antrage:

1.) das Vollstreckungsgericht wolle die vorge-nommene Zwangsvollstreckung in die vorbe-zeichneten Sachen für unzulässig erklä-ren und aufheben,

2.) das Vollstreckungsgericht wolle geneigtestbis zur Entscheidungdie Zwangsvollstreckung einstellen.

3.) die Kostendes Verfahrens dem Gläubiger auf-zuerlegen.

Begründung:

Die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung in die benannten Ge-genstände dürfte schon nach § 811 Nr.1 und 5 gegeben sein.

Der Vollstreckungsschuldner ist vom Beruf Schauspieler.Nachdem er jahrelang am Staatstheater in Dresden als Schauspielertätig gewesen war, hatte er die Leitung des Theaters am Schiffbau-erdamm übernommen und bis zum 1. Mai 1931 geführt. Infolge der un-geheuren Wirtschaftskrise, der Tonfilmkonkurrenz und andererschwerwiegender Umstände hat er nicht blos das in das Theaterunter-nehmen hineingesteckte grosse Vermögen vollständig verloren, son-dern ist aus demselben mit einer bedeutenden Schuldenlast heraus-gegangen.

Er ist im Interesse des eigenen Lebensunterhalts und des-jenigen seiner aus Frau und zwei Knaben bestehenden Familie ge-nötigt, sein Lebensunterhalt wieder als Schauspieler, sei es beimTheater, sei es beim Tonfilm zu suchen. Hierzu bedarf er ganzdringend der im gepfändeten Schuhe, Anzüge und Hüte.

Die Pfandstücke stellen fast seine ganze Garderobe dar.Ihr Besitz ist für ihn so unentbehrlich, als er nach den Tarif-verträgen der Bühnengenossenschaft als Schauspieler genötigt ist,

seine gesamte Garderobe und Beschuhung selbst auf eigene Kostenanzuschaffen und darauf bedacht sein muss, hierbei eine gewisseMannigfaltigkeit walten zu lassen, da er sonst überhaupt keineAussicht hat Beschäftigung als Schauspieler oder beim Tonfilmoder dergleichen zu erhalten.

Die gepfändeten Kleidungsstücke und Schuhe sind übrigensschon mehrere Jahre alt und es würde bei einer Zwangsversteigerung,wenn sich überhaupt ein Käufer finden sollte, nicht einmal die-jenigen Beträge bringen, welche der Gerichtsvollzieher Schulze alsihre Werte in das Protokoll eingesetzt hat.

Ich überreiche eidesstattliche Versicherung des Vollstreckungs-schuldners und stelle evtl. ergebenst anheim, einen Sachverständi-gen für alte Kleider und Schuhwerk über die Aussichten einerVersteigerung solcher Sachen und den Wert derselben zu hören.

Die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung dürfte dahernicht blos auf Grund des § 811 Nr.1 und 5, sondern auch aufGrund des § 803 ZPO Absatz 2 gegeben sein.

Ich bemerke schliesslich noch, dass der Vollstreckungs-schuldner am 4. Mai 1931 vor dem Amtsgericht Charlottenburg denOffenbarungseid geleistet hat.

Beweis: die betreffenden Offenbarungseidakten.

In dem hierbei überreichten Vermögensverzeichnis sind auch diejetzt gepfändeten Kleidungstücke etc. angegeben. Der Vollstreckungs-gläubiger Schriftsteller Kraus hatte ursprünglich eine Reiheanderer Gegenstände (Mobiler) wegen einer Forderung nebstZinsen und Kosten von zusammen 2783,85 Reichsmark pfänden las-sen, diese Pfändung aber auf Grund von Intervention der Ehefrau des Vollstreckungsschuldners freigegeben.

Die jetzige Pfändung beschränkt sich auf einen Teil derin vorbezeichneter Sache festgesetzten Kosten in Höhe von 100,––

Rmk. Es ist völlig ausgeschlossen, dass überhaupt mit einerBefriedigung des Vollstreckungsgläubigers wegen dieser Kosten zurechnen ist, evtl. dürfte der Ertrag so gering sein, dass nichteinmal die Zwangsvollstreckungskosten gedeckt werden.

Anbei Pfändungsprotokoll mit der Bitte um Rückgabe,ferner eidesstattliche Versicherung und Vollmacht.

Abschrift anbei.

Der Justizrat