182.2 Eidesstattliche Versicherung von Karl Kraus

Materialitätstyp:

  • Durchschlag
  • Kopie
Datum: Dezember 1932
Seite von 3

Bd.

Eidesstattliche Versicherung.

Ich kenne die strafrechtlichen Folgen einer vorsätzlichoder fahrlässig falsch abgegebenen eidesstattlichen Versi-cherung. Ich gebe zur Vorlage bei Gericht folgendeeidesstattliche Versicherungab:

Ein Herr Breidenbach hatte sich Ende Oktober 1932in München darum beworben, mich zu photographieren. Er wurdeabgewiesen. Er ist dann auf dem Podium nach meinem damaligenVortrag erschienen und wurde von Herrn Direktor Dr. HeinrichFischer mit der Bemerkung, dass das Photographieren nicht ge-stattet werde, nochmals zurü abgewiesen. Trotzdem hat HerrBreidenbach am nächsten Vormittag mich in meinem Hotel, daser irgendwie in Erfahrung gebracht hatte, angerufen. Er erhieltkurz den Bescheid, es sei ihm bereits gesagt worden, dass dasPhotographieren meiner Person nicht erlaubt werde. An einemder nächsten Abende, vermutlich 27. Oktober sprach er mich im Foyer des Schauspiel-hauses an, nachdem er mich öfters umkreist hatte. Er machtemich auf die Vorzüge seiner im Schauspielhaus ausgestelltenPhotographieen aufmerksam. Ich gab ihm in heftigster Form einenochmalige Absage. Da er nicht locker liess, wurde diese Absagewiederholt und jede weitere Belästigung verboten.

Am 30. November 1932, 8 Uhr abends hielt ich im Steinicke-Saal in München eine Vorlesung von Gerhart Hauptmann’s Hanneles Himmelfahrt. Während dieser Vorstellung hörte ichan einigen Stellen, die gespannteste Aufmerksamkeit erforderten,im Saal Geräusche. Nach der Vorführung kam Herr Direktor Fischer

auf das Podium und teilte mir in grösster Aufregung mit,es habe sich etwas ungeheuerliches zugetragen. Jener HerrBreidenbach habe an 3 oder 4 Stellen des Hanneles Himmel-fahrt seinen Photographenapparat in Tätigkeit gesetzt undin empfindlichster Weise die Nachbarschaft gestört. Auf Zu-rechtweisung, die von Seiten des Herrn Dr. Fischer erfolgtsei, habe er sich nicht abhalten lassen, weiter zu photogra-phieren. Auf meine Veranlassung hielt Herr Direktor Fischer vor Beginn der zweiten Abteilung eine Ansprache an das Publi-kum, worin er mitteilte, dass der Versuch der photographischenAufnahmen, der so störend gewirkt habe, selbstverständlichohne mein Wissen und gegen meinen Willen erfolgt sei und dassich jeden möglichen Schritt zur Verhinderung der Veröffentli-chung dieser Aufnahmen unternehmen werde. Nebst der Störungdes Vortrages an den wesentlichsten Stellen ist mir die blos-se Vorstellung, dass eine solche Veröffentlichung derzeit oderwann immer in einer späteren Zeit, durch welche Zeitungen immererfolgen würde, eine geradezu physische unerträgliche Pein. Denn es würde dieungeheuerliche Möglichkeit sich ergeben, dass der Betrachter einersolchen Photographie annehmen müsste, dass ich mir einen Photographenzur Wahrnehmung eines Momentes meiner Darstellung bestellt habeund kein Mensch würde auch nur auf den Gedanken kommen, dass einsolcher Eingriff in meine darstellerische Produktion ohne meineausdrückliche Genehmigung erfolgt sei. Ich würde als einerda stehen, der sich in bestimmten zurecht gelegten Posen vor demPublikum photographieren und zur Schau stellen lässt. Ich habeein berechtigtes Interesse an der Verhinderung solcher Tatenschon aus dem Grunde, weil ich seit Jahrzehnten Zeitungen oderZeitschriften selbst Reproduktionen von bereits erschienenen

Photos, die ursprünglich ausschliesslich zu dem Zwecke hergestellt wurden,damit das Erträgnis aus dem Verkauf wohltätigen Zweckenzugewendet werde, verboten habe. Ich bin in jedem einzel-nen Falle gegen eine Uebertretung dieses Verbotes nach demRecht am eigenen Bilde eingeschritten. Ich habe es auch ab-gelehnt, irgendeinmal eine Photographie von mir auch nureinem Einzelnen zu überlassen und mit meinem Namenszugezu versehen.

Diese Weigerung erfolgt gemäss der Haltung, die ichdurch Jahrzehnte nachweislich gegenüber dem Pressewesen undjeder Art eines reklamehaften Hervortretens oder eines Miss-brauches des Persönlichkeitsrechtes durch eine sensationslüs-terne Presse eingenommen habe.

Es versteht sich von selbst, dass die Presse nach sol-chen Aufnahmen, die Seltenheitswert haben, begierig ist unddass zu irgend einer, wenn auch späteren Zeit eine solche Repro-duktion, die ich förmlich als eine Anprangerung empfinde, erfol-gen könnte.