187.12 Brief RA Friedrich Bill an RA Johann Turnovsky

Materialitätstyp:

  • Durchschlag mit handschriftlichen Überarbeitungen

Schreiberhände:

  • Bleistift
  • roter Stift

Sender

ADVOKAT | J. U. Dr. FRIEDRICH BILL
Krakovská ul. 13
PRAG II.
Datum: 7. Dezember 1933

Empfänger

An: Herrn | JUDr. Johann Turnovsky
Vodičkova
Prag
Seite von 2

Sehr geehrter Herr Doktor!

Ich komme erst heute zur Beantwortung Ihres Schreibens vom24. v.M., da ich vorerst den Verfasser des Artikels „KarlKraus Abschied“ erreichen wollte. Was die Berichtigung derfehlenden Beistriche bzw. des grossen „M“ am Beginn eines Ver-ses anlangt, so haben mich diese, wenn auch unbedeutenden Druck-fehler geärgert, viel mehr geärgert als jeder andere Druckfehler.Aber Sie wissen doch, mit welchen geradezu phantastischen Schwie-rigkeiten man in einer rein tschechischen Druckerei, in der wirmangels Mittel arbeiten müssen, zu kämpfen hat. Ich bin also gernbereit, diese Berichtigung aufzunehmen, gebe Ihnen jedoch zu be-!denken, ob es nicht vorteilhafter wäre, das vollendete Gedicht von Karl Kraus nochmals fehlerfrei abzudrucken.

Was den angeblichen Eingriff in das Autorrecht des Herrn KarlKraus durch Abdruck des Gedichtes anlangt, so war jener von dem! Autor, der ein glühender Verehrer von Karl Kraus ist, sicherlichnicht beabsichtigt. Dies ergibt sich übrigens auch aus jeder Zei-le und aus jedem Wort des nachfolgenden Artikels. Es handelt sichoffensichtlich um eine Zitierung dieser wenigen Verszeilen, um andiese anknüpfen zu können. Nur eine überaus strenge Gesetzesinter-pretation kann eine Verletzung der Autorrechte feststellen.

Bitte wollen Sie, sehr verehrter Herr Doktor, rückfragen, obHerr Karl Kraus auf der in Ihrem Schreiben vom 24. v.M. enthal-

tenen Erklärung, die dem Ansehen unseres Blattes schaden müsste,beharrt, ebenso ob er auf dem uns aufgelegten Sühnebeitrag be-harrt. Wollen Sie Herrn Karl Kraus gleichzeitig zu seiner Infor-mation mitteilen, dass der „Aufruf“ bis heute einer ganzenReihe emigrierten Schriftstellern und ihren Familien hilft undsie oft monatelang erhalten hat und erhält. Die Ungunst derZeiten gefährdet jedoch geradezu beängstigend unser Hilfswerk.Wollen Sie Herrn Karl Kraus unsere Bitte vorbringen, er möchtein Anbetracht all dieser traurigen Verhältnisse von einer Weiter-verfolgung der Angelegenheit trotz seinem gesetzlichen Rechteabstehen.

Ich zeichne mit dem Ausdruck meiner vorzüglichenHochachtung

[Unterschrift]

8.12.1933KrausAufruf