188.7 Brief Verlag Die Fackel an Geographisches Institut – Verlag - Druckerei Eduard Hölzel

Materialitätstyp:

  • Durchschlag

Sender

Verlag Die Fackel (Wien)
Hintere Zollamtsstraße
III., Landstraße
Datum: 23. Dezember 1933

Empfänger

An: Herrn Ed. Hölzel, Geographisches | Institut
Mommsengasse 5
Wien IV.
Seite von 5

Sehr geehrter Herr!

Wiewohl Ihre Intervention eigentlich bei dem Anwalt, dem dieSache übertragen wurde, zu versuchen war, teilen wir Ihnen mit, daß HerrKarl Kraus ihrer Schilderung der mäzenatischen Bemühungen der Zigaretten-papierfirma Altesse A.G., der Sie Beistand gewährt haben, mit Interessegefolgt ist. Das Bestreben, Portraits von mehreren hundert bedeutendenPersönlichkeiten aus verschiedensten Ländern und Zeiten – von der Antikebis in die Gegenwart – endlich mal in einem einheitlichen Bildstil darzu-stellen, hat gewiß auf die Anerkennung Anspruch, die Sie ausdrücklichauch dem ungenannten Künstler zugewendet wissen wollen, der dem Auftragder Altesse nachgekommen ist und dessen Schöpfung Ihrem Urteil zufolgeunter keinen Umstanden künstlerischer Eigenwert abgesprochen werden kann.Nichts läge uns auch ferner, als aus einigen schlecht nachgezeichnetenPhotographieportraits, die uns zufällig vor Augen gelangt sind, jenen un-günstigen Schluß auf das Gesamtwerk zu ziehen, dessen Bedeutung doch vorallem in der Idee liegt, ein Pantheon anzulegen, das sich etwa von Sokra-tes bis Salten erstreckt, welcher Autor noch angeregt werden könnte, demGesichtspunkt, unter dem nie Sammlung vollzogen wird: „Olleschau – DasBeste von Allen!“, in einer besonderen Denkschrift gerecht zu werden, imSinne der Anregung, die er einst von Maffersdorf (Teppiche) empfangen hat.Herr Karl Kraus bedauert nach Ihrer lebendigen Darstellung außerordentlich,daß er für seine Person den Verewigungsabsichten, die die Altesse mit ihmhat, widerstreben muß. Daran vermag selbst Ihr Hinweis nichts zu ändern,daß in dem ihm gewidmeten Lesezeichen die Anerkennung seiner Bedeutungdurch die Firma zum Ausdruck komme, und ebensowenig der Hinweis auf dielautere Absicht, die sich in der durchaus freundlichen, wenngleich fehler-haften Biographie kundgibt. Bezüglich der Verbindung der Parole von Olle-schau mit seiner Person überschätzen Sie seine Befürchtungen ein wenig.Der unbefangene Raucher wird gewiß nicht vermuten, daß Herr Kraus, konformden Persönlichkeiten von der Antike bis in die Gegenwart, jenen Ausspruch

getan habe; der befangene aber könnte vermuten, daß er gleich den Persön-lichkeiten der Gegenwart den Unfug, ein Künstlerbild mit einer Warenemp-fehlung zu verbinden, sei es um materiellen Vorteils willen, sei es wegender Chance der Popularität, gewähren lasse. Ihre Argumentation, die einigeÄhnlichkeit mit den Zurechtlegungen des deutschen Kommuniqués aufzuweisenscheint, indem sie erfolgreich den Feind mit Gründen belegt, die eigent-lich zum Gegenteil führen, vermag Herrn Karl Kraus nur dadurch zu verblüf-fen, daß sie ihm dargeboten wird. Sie führen das Moment der „faksimilier-ten Unterschrift“ ein, die bei seinem Lesezeichen fehlt und tatsächlichablenken könnte, wenn nicht eben dadurch der „leere Raum“ zwischen Bildund gedrucktem Namen vergrößert würde, so daß zwar das Bild von der Paroleentfernt ist, aber doch nicht der Name. Ebenso plausibel klingt und ebensounplausibel ist, was Sie über die Letter sagen, die nur als „gleiche oderähnliche“ den Charakter des Ausspruchs unterstützen würde; das Gegenteilist weit eher der Fall. Solche Gedankengänge, die Sie auf den Betrachterübertragen, sollen zu dem Punkt führen, wo die Worte „Olleschau – DasBeste von Allen!“ eine „deutlich als solche erkennbare Schutzmarke“ erge-ben. Aber der Betrachter hat keine „Schutzmarke“ zu erkennen, die über-haupt nur ein Begriff für den Konkurrenten ist, sondern eine Empfehlung,die sich ihm mit Hilfe der abgebildeten Person einprägt. Der Aufdruck der„Schutzmarke“ lasse „ernstlich kein Mißverständnis aufkommen“: das sollwohl bedeuten, daß sie geradezu dagegen schütze. In Wahrheit aber genügtdas Mißverständnis, das sie mindestens herbeiführt: den Dargestellten zumTräger der Reklame, zum Sandwichman zu machen, wenn man schon nicht anneh-men wollte, daß der Ausspruch über Olleschau ein Zitat aus seinen Werkensei. Ans Phantastische grenzt jedoch Ihre Zumutung, zu glauben, „daß dieLesezeichen nicht verwendet werden, um Käufer anzulocken (nur in diesemFalle hätte es doch einen Sinn, Anpreisungen vorzutäuschen), sondern alseine Art Prämie in verschlossene Schachteln gelegt werden, die erst nachgetätigtem und nicht mehr rückgängig zu machendem Kaufe geöffnet werdenkönnen“. Es ist immerhin gut, daß wenigstens der Erzeuger noch in die ver-schlossene Schachtel die Prämie hineinlegen konnte. So mag es ja gelungensein, Herrn Karl Kraus in effigie hineinzulegen; anders gelänge es keines-wegs. Das ist gewiß auch nicht Ihre Absicht, denn ernstlich werden dochweder Sie noch Ihr Auftraggeber glauben, ihn glauben machen zu können, dieLesezeichen würden nicht verwendet, um Käufer anzulocken. Aber dann soll-ten Sie doch auch so etwas nicht in ein Schreiben an ihn als Argument

hineintun, da ja auf diesem Wege jede Aussicht verloren geht, damit vorGericht zu reüssieren. Sie haben im Gegner die Vorstellung geweckt, daßdie Altesse, die ohnedies mäzenatisch handelt, großmütig darauf verzich-te, daß der Käufer, der der Schachtel die Prämie entnommen hat, jemalswieder kauft. Er erhält die Prämie zur Belohnung für den einmaligenKauf, der allerdings nicht mehr rückgängig zu machen ist, er soll nichtzur Wiederholung angelockt werden und wenn er freiwillig und ohne jedenHintergedanken an die Prämie wieder kauft, so kann die Altesse nichtsdafür. Sollte er sich aber wider Erwarten angelockt fühlen, so könnteer vollends Ihrem plausiblen Klammersatz zustimmen: „nur in diesem Fallehätte es doch einen Sinn, Anpreisungen vorzutäuschen“. Ihrer Meinung,daß die Lesezeichen nicht verwendet werden, um Käufer von Zigaretten-hülsen, vielmehr etwa um Bücherkäufer anzulocken, scheint zwar nicht nurder gesunde Raucherverstand zu widersprechen, sondern auch die Ge-brauchsanweisung, die gleichfalls in die verschlossenen Schachteln ge-legt wird und die den Sammlerehrgeiz anspornt; und tatsächlich sollenja auch, wie Sie selbst zugeben, „die Empfänger der Lesezeichen nachund nach verschiedene Exemplare in die Hand bekommen, so daß sich ihnendas gleichartige Aussehen einprägt“. Doch vielleicht können Sie sichwirklich auf die Erfahrung stützen, daß Zigarettenhülsenkäufer sichdurch das Konterfei von Persönlichkeiten der Gegenwart nicht angelockt,sondern eher abgestoßen fühlten, in welchem Fall man aber wieder nichtgut von einer Prämie sprechen könnte; beabsichtigt wäre ein solcherEffekt keineswegs.

Ferne sei es von uns, Ihnen Aufschlüsse über das Wesen derReklame zu erteilen, über die Ihr Auftraggeber vielleicht besser Be-scheid weiß, während Sie wieder mehr über die technische Seite orien-tiert sind. Aber Ihre Erwartung, Herr Karl Kraus werde jetzt „ersehen“,daß ein Mißbrauch nicht vorliegt, entspringt einem Optimismus, den IhrAuftraggeber mit Recht nicht teilt, indem er ja in dem Schreiben an unsdas Problem des Reproduktionsrechtes als gegeben erachtet und in demSchreiben an Sie die Frage stellt, ob und in welcher Weise Sie es sichgesichert haben. Ihr Vorschlag zur Güte würde es wohl gegen künftigenMißbrauch schützen, jedoch keineswegs gegen den bereits begangenen.Dessen übler Deutung und der damit verbundenen Belästigung durch Einsen-dungen und Anfragen läßt sich nur durch Erfüllung der gestellten Bedin-gungen abhelfen. Ihre Befürchtung, ein gerichtliches Verfahren würde

durch den Widerhall in der Öffentlichkeit doch nur eine Reklame für dieAltesse A.G. bedeuten“, können wir nicht nachempfinden, so sehr Sie unsauch glaubhaft gemacht haben, daß die Altesse jeden Mißbrauch der Publi-zität perhorresziert. Wir fürchten die Reklame für eine Zigarettenhülsen-fabrik keineswegs und fänden sie im Gegenteil durchaus entsprechend.Nicht daß der Kaufmann Reklame für seine Ware macht, erscheint uns anstö-ßig, sondern einzig, daß er die Kunst in den Dienst seiner Bestrebungenstellt.

Mit vorzüglicher Hochachtung

P.S. Wie wir soeben erfahren, sind die verschlossenen Schachteln, dieerst nach getätigtem und nicht mehr rückgängig zu machendem Kaufe ge-öffnet werden können, offen.

Rekomm.

KrausOlleschau