189.122 Brief RA Johann Turnovsky an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript

Sender

JUDr. JOHANN TURNOVSKY | Advokat
Vodičkova 33
Prag
Datum: 27.VI.1935
Betreff: Kraus – Gegenangriff

Empfänger

An: P.T. | Herrn Dr. Oskar Samek, Advokat
Reindorfgasse 18
Wien – XIV
Seite von 2

Sehr geehrter Herr Doktor.

Ich bestätige mit bestem Danke den Em-pfang Ihres frdl. Schreibens vom 25. d.M. und gestatte mir, Ihnenden Entwurf der noch vor meinem Urlaubsantritte verfassten Klage zur gefl. Prüfung und Einholung der Genehmigung des Herrn Kraus einzusenden. Allfällige Aenderungen bitte ich diesmal in denText der Klage zu verzeichnen, damit während meiner Abwesen-heit die Besorgung der Uebersetzung, deren Richtigkeit ichallerdings überprüfen werde, leichter vorgenommen werden kann.Zu diesem Zwecke sende ich zwei Exemplare des Entwurfes ein.

Was Ihre Anfrage wegen einer evtl. Diszi-plinaranzeige gegen den verantwortlichen Redakteur betrifft,gestatte ich mir zu bemerken, dass die Ausübung des Amtes einesverantwortlichen Redakteurs den Standesvorschriften wohl kaumwidersprechen dürfte. Ob die Art der Ausübung als standeswidrigbezeichnet werden kann, scheint mir sehr zweifelhaft.Ich habe selbst persönlich keine Bedenken, gegen Dr. Kassowitz die Disziplinaranzeige zu überreichen, nur möchte ich aus Rück-sicht für Herrn Kraus vermeiden, dass das Erkenntnis des Dis-ziplinarrates dahin lautet, dass kein Grund für ein Einschreitengegen Dr. Kassowitz vorliege. Im Uebrigen sind auch Sie, sehrgeehrter Herr Doktor, zur Ueberreichung der Anzeige legitimiert

und ich glaube, dass es, wenn Sie sich zur Anzeige entschlies-sen, sogar wirksamer wäre, dass sie von Ihnen überreicht wird,da der Disziplinarrat die von einem ausländischen Kollegenüberreichte Anzeige sicherlich einer sorgfältigeren Behandlungunterziehen wird, als eine Anzeige eines inländischen Anwaltes.

Ich weiss nicht, ob es zweckmässig wäre, aufdie Stupidität der Beleidigung mit besonderem Nachdrucke hinzu-weisen, weil ich glaube, dass gerade diese Stupidität dieStrafwürdigkeit des Vergehens herabsetzen könnte. Ich unter-werfe mich jedoch diesbezüglich vollkommen Ihrer und des HerrnKraus Ansicht und bitte, falls Sie meine Ansicht nicht teilen,den Entwurf der Klage entsprechend zu ergänzen.

Wollen Sie mir bitte den abgeänderten Entwurf an meine Prager-Adresse retournieren, die Uebersetzung wird mir dann nachFertigstellung durch meine Kanzlei zur Korrektur eingesendetwerden, worauf ich die Ueberreichung der Klage veranlassenwerde.

Da bei der Vergleichsverhandlung, die wohlkaum vor 3 bis 4 Wochen stattfinden wird, die Frage der Satis-faktionserklärung erörtert werden muss, bitte ich mir mitzutei-len, ob überhaupt eine Erklärung akzeptiert werden soll, gegebenen-falls den Wortlaut einer akzeptablen Erklärung einzusenden.

Ich bin mit besten Grüssen an Sie undEmpfehlungen an Herrn Kraus,Ihr ergebener:Dr. Turnovsky

KrausGegenangriff1. JULI 1935