190.20 Brief RA Siegfried Wolf an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript

Sender

DR. SIEGFRIED WOLF | RECHTSANWALT
GRABEN 27
WIEN, I
Datum: 26. April 1934
Betreff: Kraus – Smetana
Diktiersigle: W/D

Empfänger

An: Wohlgeboren Herrn | Dr. Oskar Samek, | Rechtsanwalt
Reindorfgasse 18
Wien, XIV.
Datum: 27. APR. 1934
Seite von 4

/1Als Anlage /1 übersende ich Ihnen den mir gesternin der Sache des Herrn Karl KRAUS gegen Dr. Richard Smetana vom Straf-bezirksgerichte I zugekommenen Beschluss. Er trägt der juristischenSituation Rechnung und es kann daher ein Einwand gegen diesen Be-schluss nicht erhoben werden.

/2Als Anlage /2 finden Sie die getreue Abschrift derErklärung, die Rechtsanwalt Dr. Smetana namens seines Bruders, desRechtsanwaltsanwärters Dr. Richard Smetana am 12. April 1934 im CaféDiglas, Wien, I., Wollzeile, gelesen, genehmigt und unterfertigt hat.Das von dem Rechtsanwalte Dr. Smetana gefertigte Original befindetsich in meinem Besitze. Ein gleichlautendes von mir namens des HerrnKarl KRAUS gefertigtes Original wurde von mir dem Gegenanwalte Dr.Smetana übergeben.

Die sich bietende Gelegenheit eines Briefes an Sie be-nütze ich dazu, die kurz vor der Vereinbarung vom 12. April 1934 lie-

genden Vorgänge wie folgt schriftlich wiederzugeben.

1.) Da ich Kenntnis davon hatte, dass für Herrn Karl KRAUS die Durch-führung der für den 14. April 1934 anberaumten Verhandlung vomgesundheitlichen Standpunkte, infolge eines Fussübels, unbequemwäre und, da ich Samstag, den 14. d.M., eine Reise hätte antretensollen, habe ich am 10. April 1934 Herrn Dr. Smetana wegen eineseinverständlichen Ansuchens um Vertagung auf die Zeit nach dem1. Mai l.J. angerufen, welches ich mit dem Hinweis auf meine Behin-derung begründete. Herr Rechtsanwalt Dr. Smetana hat dieses Ver-tagungsansuchen nach vorheriger Rücksprache mit seinem BruderDr. Richard Smetana (den er befragen zu müssen erklärte), mit derBegründung abgelehnt, dass sein Bruder im Mai auf Urlaub gehe. Ichhatte das Gespräch aus Gründen der kollegialen Höflichkeit mitdem Hinweis auf meinen seinerzeitigen Weg zu Präsident Dr. K. undmeinen daraus ersichtlichen Versuch, eine einen jungen Standes-genossen betreffende gerichtliche Ehrenbeleidigungsklage ausser-gerichtlich zu erledigen, eingeleitet. Mein Gesprächspartner sprachdamals von einer umfassenden Ehrenerklärung, von einer Sühne undvon Kostentilgung. Da ich diese Bedingungen ablehnte, war der wei-tere Gegenstand des Telefongespräches nur mehr die Vertagungs-frage. Es ist mir erinnerlich, dass Rechtsanwalt Dr. Smetana micham Apparate ersuchte, Herrn Karl Kraus seinen Ausgleichsvorschlagbekanntzugeben. Eine Verpflichtung hiezu habe ich nicht übernom-men.

2.) Am 11. April 1934 hat mich Herr Rechtsanwalt Dr. Smetana als Ver-

treter seines Bruders spontan angerufen. Er brachte die Sprache aufden Ausgleich, erwähnte den Sühnebetrag nicht mehr und stellte imwesentlichen nur die Forderung nach einer umfassenden Ehrenerklä-rung, in welcher Herr Karl KRAUS die von ihm gebrauchte Aeusserungmit Bedauern zurücknehmen müsse. Dies habe ich mit dem Hinweis abge-lehnt, dass mir der Fall nur durch eine beiderseits vorzunehmendeFeststellung, resp. abzugebende Erklärung austragbar zu sein scheine.

3.) Nach der Besprechung, die ich am Abend des 11. April 1934 mit HerrnKarl KRAUS hatte, bin ich mit Herrn Rechtsanwalt Dr. FriedrichSmetana am 12. April 1934, um 1/4 8 Uhr abends (infolge einer tele-fonisch von mir mit Herrn Rechtsanwalt Dr. Smetana getroffenen Ab-rede) im Café Diglas, Wien, I., Wollzeile, zusammen gekommen. Die dieAbgabe der Erklärung betreffende Unterredung dauerte mehr als einehalbe Stunde. Das Ansinnen des Herrn Rechtsanwaltes Dr. Smetana, HerrKarl KRAUS möge die inkriminierte Aeusserung zurücknehmen, habe ichabgelehnt, desgleichen umsomehr das Ansinnen, es möge die Aeusserungmit Bedauern zurückgenommen werden.

4.) Mit Benützung von stenographischen Notizen, die ich vor mir hatte,habe ich Herrn Rechtsanwalt Dr. Friedrich Smetana die einverständ-liche Erklärung in die Feder diktiert. Ich habe ihn dann gebeten,mir auf Grund seiner nunmehr fertiggestellten, handschriftlich voll-zogenen Notiz den Wortlaut zu diktieren. Es ist demnach volle Gewährdafür geboten, dass das in Händen des Herrn Rechtsanwaltes Dr. Smetana

befindliche Elaborat, welches von mir in Vertretung des Herrn KarlKRAUS gefertigt wurde, mit dem in meinen Händen befindlichen Elabo-rate, welches von Herrn Rechtsanwalt Dr. Friedrich Smetana noe. Dr.Richard Smetana gefertigt wurde, wörtlich übereinstimmt.

5.) Nachdem ich den Verhandlungsrichter Dr. Wenger und der Vorsichthalber auch Herrn Hofrat Dr. Chamrath durch einen Kanzleibeamten vomNichtstattfinden des Termines verständigt hatte, habe ich, wiederdurch ein Organ meiner Kanzlei, am 14. April 1934, um 10 Uhr vormit-tags, konstatieren lassen, dass für den Gegner niemand erschienen warund dass daher in beiden Fällen (Aktivsache und Passivsache) vomRichter die Einstellung des Verfahrens ausgesprochen wurde.

In kollegialer HochachtungDr. Wolf

Kraus – Dr. Smetana27. APR. 1934