193.74 Brief RA Johann Turnovsky an Samek

Materialitätstyp:

  • Durchschlag mit handschriftlichen Überarbeitungen

Schreiberhände:

  • Johann Turnovsky, schwarze Tinte

Sender

JUDr. JOHANN TURNOVSKY | Advokat
Vodičkova 33
Prag
Datum: 27.I.1936
Betreff: Kraus – SOZIALDEMOKRAT / zweite Presseklage /

Empfänger

An: P.T. | Herrn Dr. Oskar Samek, | Rechtsanwalt
Reindorfgasse 18
Wien – XIV
Datum: 28.JAN.1936
Seite von 4

Sehr geehrter Herr Doktor.

Ihr freundliches Schreiben vom 25.d.M. wurde mir gestern in meine Wohnung zugestellt; ich konnte mußte ,da ich zu gleicher Zeit eine fortgesetzte Streitverhandlungin einem grossen Zivilprozesse abhalten musste, für die ichkeinen Substituten gewinnen konnte, (da dieser in der kurzenZeit die Prozessakten nicht hätte studieren können), musste ich den Kollegen Dr. Norbert Gross ersuchen, für mich bei der Ver-gleichstagfahrt einzutreten. Ich habe ihn selbstverständlichgenau informiert. Wie mir Dr. Gross mitteilt, war Dr. Strauss wiederum durch Dr. Schwelb vertreten, welcher noch vor ihm imVerhandlungsaal anwesend war und an Dr. Gross gleich, als diesereintrat, die Frage stellte, welche Art von Satisfaktionserklä-rung er in Vertretung des Herrn K. akzeptieren würde. Da auchder Richter / Dr. Bernášek / die Annahme einer Satisfaktionerklä-rung empfohlen hat, verlangte mein Substitut die von Ihnen auf-gegebene Erklärung.

Es wurde deshalb ein Vergleich folgen-den Inhaltes abgeschlossen: Der Beschuldigte, Dr. Emil Strauss,

als verantwortlicher Redakteur der periodischen DruckschriftSozialdemokrat“ verpflichtet sich, kostenlos und ohne Be-merkungen unter den Folgen des § 9 der ergänzten Pressgesetz-novelle in der Zeitschrift „Sozialdemokrat“ auf Seite 4 inder oberen Hälfte in der im § 8 der ergänzten Pressgesetznovelle angeführten Weise die unten angegebene Erklärung innerhalb 14Tagen zu veröffentlichen und dem Privatkläger an Kosten derRechtsvertretung den Betrag von Kč 330.–– zu Händen des Vertre-ters, Dr. Johann Turnovsky, Advokaten in Prag, und zwar binnen14 Tagen bei sonstiger Exekution unter den im § 10 und 11 derergänzten Pressgesetznovelle angeführten Folgen zu bezahlen.Gleichzeitig verpflichtet er sich, binnen 14 Tagen zu Händendes Primators der Hauptstadt Prag, Dr. Baxa, den Betrag von 200 Kčzu Gunsten der Arbeitslosen der Prager-Gemeinde zu erlegenund binnen einer weiteren Woche vom Tage des Erlages eine Be-stätigung hierüber Dr. Turnovsky bei sonstiger Exekution undunter den Folgen des § 10 und 11 der ergänzten Pressgesetznovelle vorzulegen.

Erklärung:

Wir haben in der Nummer 279 unserer Zeitungvom 30.XI.1935 beleidigende Behauptungen über Herrn Karl Kraus aufgestellt. Wir ziehen sie zurück.

Die Redaktion.

Ueber den Wortlaut dieser Erklärung indeutscher Sprache haben sich die Parteien geeinigt.“

Herr Kollege Dr. Gross hat sich weisungs-gemäss den deutschen Wortlaut der Erklärung von Dr. Schwelb be-

stätigen lassen.

Ich habe meinen Substituten ersucht, allesfestzuhalten, was bei der Vergleichstagsatzung gesprochen wurdeund er gab mir auch einen Situationsbericht, dem allerdingsnichts anderes zu entnehmen war, als das Dr. Schwelb bei derNennung des Sühnebetrages von 200 Kč nur so nebenbei bemerkthat, ob dieser Betrag nicht herabgesetzt werden könnte. Er hatjedoch die Herabsetzung des Betrages dann nicht weiter betrie-ben, als mein Substitut erklärte, darauf bestehen zu müssen,dass dieser Betrag bezahlt werde.

Indem ich Sie, sehr geehrter Herr Doktor,bitte, diese Mitteilung an Herrn K. weiterzuleiten, ihm meinebesten Grüsse zu bestellen und Sie selbst herzlichst grüsse,

zeichne ich in vorzüglichster Hochachtungergebener:Dr. Turnovsky

KrausSozialdemokrat 28. JAN. 1936