196.31 Brief RA Robert Herrmann an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript

Sender

Dr. ROBERT HERRMANN
MASARYKSTRASSE 25/27
BRÜNN
Datum: 23. Mai 1935
Betreff: Karl Kraus, Arbeiterzeitung.
Diktiersigle: Dr.G/b

Empfänger

An: Wohlgeboren Herrn | Dr. Oskar Samek, | Rechtsanwalt
Reindorfgasse 18
Wien XIV.
Datum: 24. MAI 1935
Seite von 2

Sehr geehrter Herr Kollege.

Ich erhielt Ihr gesch. Schreiben vom 15. d.M. und habe die Angelegenheit mit dem Untersuchungsrichter neuerlich eingehend besprochen. Herr Schramek hat innerhalbder ihm vom Untersuchungsrichter gegebenen Frist die Zahldes Prager Prozessaktes angegeben. Der Untersuchungsrichter wird nunmehr den Akt aus Prag anfordern und glaubt, dass erihm sofort werde zur Verfügung gestellt werden, da ja imPrager Verfahren vermutlich vor September dieses Jahres ohne-dies nichts geschehen wird.

Der Untersuchungsrichter ist der Meinung, dassseine Tätigkeit mit der Einholung des Aktes eigentlich er-schöpft ist, dass er also das Verfahren, sobald der Akt hierist, als abgeschlossen betrachten kann und will mich vondem Einlangen des Aktes verständigen mit der Aufforderung,ich möchte in den Akt Einsicht nehmen, und mir sodann dieübliche Frist zur Einbringung der Anklageschrift stellen.

Ich glaube, dass wir auf diesem Weg raschzu einer Hauptverhandlung kommen werden, wie dies HerrnKraus erwünscht ist.

Die Anklageschrift möchte ich, um das erkennendeGericht von Vornhinein darüber aufzuklären, dass der Wahrheits-

beweis, den Herr Schramek angetreten hat, durch den PragerAkt keinesfalls erbracht werden kann, gleich dazu benützen,um in den Gründen den Gegenstand des Prager Prozesses darzu-legen und auszuführen, dass er vom Gegenstand des hiesigenProzesses gänzlich verschieden ist und dass daher das hiesi-ge Verfahren seinen eigenen und selbstständigen Gang nehmenmuss.

Ich hoffe Sie mit dem vorgeschlagenen Vorgang ein-verstanden und zeichne

mit vorzüglicher HochachtungergebenerDr. Herrmann

KrausArbeiter Ztg. 24. MAI 1935