196.52 Brief RA Felix Gallia an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript

Sender

Dr. FELIX GALLIA
MASARYKSTRASSE 25/27
BRÜNN
Datum: 3. Dezember 1935
Betreff: Kraus – Arbeiterzeitung.
Diktiersigle: Dr.G/b

Empfänger

An: Wohlgeboren Herrn | Dr. Oskar Samek, | Rechtsanwalt
Reindorfgasse 18
Wien XIV.
Datum: 4. DEZ. 1935
Seite von 2

Sehr geehrter Herr Kollege.

Ich erhielt Ihr gesch. Schreiben vom 29. v.M. und glaube vorläufig weitere Informationen nicht zu benötigen.Jetzt schon ein Urteil über die Aussichten des Prozesses ab-zugeben, scheint mir verfrüht.

Zur Verantwortung Sonnenscheins bemerke ich fol-gendes: Die Absicht, Herrn Kraus zu beleidigen und seine per-sönliche Ehre anzutasten, geht aus dem Gedicht selbst meinerMeinung nach derart klar hervor, dass die Verteidigung Sonnen-scheins, die die Absicht der persönlichen Beleidigung bestreitetund nur eine sachliche Kritik behauptet, zweifellos keinenGlauben finden kann.

Der objektive Tatbestand von Ehrenbeleidigungen,wie sie das neue čsl. Gesetz zum Schutz der Ehre kennt, ist gewissgegeben. Offen bleibt bloss die Frage des Wahrheitsbeweises,den Sonnenschein offenbar anzutreten beabsichtigt. Und da glaubeich fest daran, dass er den Beweis der Wahrheit oder auch nurdes entschuldbaren Irrtums niemals wird erbringen können.

Eine eingehende Stellungnahme wird mir natürlicherst möglich sein, bis ich genau weiss, womit eigentlich Sonnen-schein den Wahrheitsbeweis führen will. Das wird sich wahr-scheinlich erst bei der Hauptverhandlung zeigen.

Da ich weiss, dass Herrn Kraus an einer raschenErledigung der Prozesse viel gelegen ist, werde ich mich na-türlich bemühen, durchzusetzen, dass die Hauptverhandlung mög-lichst bald nach Einbringung der Anklage angesetzt wird. DieHerren vom Pressenat sind mit Arbeit stark belastet und eswird also vermutlich trotz allen Entgegenkommens, das ich beimVorsitzenden des Senates erwarten darf, doch eine gewisse Zeitbis zum Termin der Hauptverhandlung vergehen müssen.

Ich zeichne mit vorzüglicher HochachtungergebenerDr. Gallia.

KrausArbeiter Ztg. 4. DEZ. 1935