196.111 Brief RA Felix Gallia an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript

Sender

Dr. FELIX GALLIA
MASARYKSTRASSE 25/27
BRÜNN
Datum: 30. Juni 1936
Betreff: Kraus – Arbeiterzeitung.
Diktiersigle: DrG/K

Empfänger

An: Wohlgeboren Herrn | Dr. Oskar Samek, Rechtsanwalt
Reindorfgasse 18
Wien XIV.
Datum: 1. JULI 1936
Seite von 2

Sehr geehrter Herr Kollege.

Gestern ist mir vom hiesigen Straf-kreisgericht der schriftliche Auftrag – ein Werk des neuenSenatsvorsitzenden Dr. Hubáček – zugestellt worden, binnen14 Tagen die Übersetzung unseres letzten grossen Schrift-satzes in die Staatssprache vorzulegen.

Der Beschluss ist kurz damit be-gründet, dass Herr K. österreichischer Staatsbürger sei/ so steht es im Beschluss /, daher nicht als Angehörigerder hiesigen deutschen Minderheit angesehen werden könneund darum nicht berechtigt sei, Eingaben in deutscherSprache zu erstatten.

Ich habe darüber nachgedacht, ob sichnicht doch ein Weg finden liesse, um diese grosse undvöllig zwecklose Arbeit zu ersparen. Dabei bin ich daraufgekommen, dass vielleicht jenenfalls der Richter von dem mir erteiltenAuftrag absehen würde, wenn die Personen, die nunmehr in dasStrafverfahren eintreten sollen, čsl. Staatsbürger sind. Ichweiss nicht, ob diese Voraussetzung auch nur bei einem derGeschwister Herrn Ks. zutrifft. Sollte dies aber der Fallsein, könnten wir etwa in der Art vorgehen, dass wohl alle

Geschwister die Anklage aufrecht erhalten, die sprachen-rechtlich beanständete Eingabe jedoch nur von jener Personneu überreicht wird, die als čsl. Staatsbürger das Recht aufBenützung der deutschen Sprache vor dem hiesigen Gerichthat.

Wenn es zur Uebersetzung kommen müsste, werde ich,schon im Hinblick auf die bevorstehenden Urlaube, ganz gewissnicht in der Lage sein, die Uebersetzung innerhalb der kurzenFrist, die mir der Richter gegeben hat, fertigzustellen. ImLaufe der Gerichtsferien möchte ich jedoch die Uebersetzurgunbedingt fertigmachen, damit dann möglichst bald im Herbstdie fortgesetzte Hauptverhandlung angeordnet werde.

Ich begrüsse Sie, sehr geehrter Herr Kollege,auf’s Beste als

Ihr ganz ergebenerDr. Gallia

KrausArbeiter Ztg. 1. JULI 1936