196.168 Brief RA Felix Gallia an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript

Sender

Dr. FELIX GALLIA
MASARYKSTRASSE 25/27
BRÜNN
Datum: 1. Oktober 1937
Betreff: Kraus – Arbeiterzeitung.
Diktiersigle: Dr.G/b

Empfänger

An: Wohlgeboren Herrn | Dr. Oskar Samek
Reindorfgasse 18
Wien XIV.
Datum: 2. OKT. 1937
Seite von 2

Sehr geehrter Herr Doktor.

Ich hatte vorgestern Gelegenheit, mit demSenatsvorsitzenden über die bevorstehende Hauptverhandlungzu sprechen. Er hat mir erzählt, dass kürzlich Sonnenschein bei ihm war – er kennt ihn aus gemeinsamen Kaffeehausbe-suchen, die offenbar schon vor längerer Seit einmal statt-gefunden haben – und dass er bei dieser Gelegenheit demAngeklagten sehr zugeredet habe, die Sache doch auszutragen.Dabei hat der Vorsitzende, wie er mir sagte, dem Sonnenschein dargelegt, dass er doch mit dem versuchten Wahrheitsbeweis kaum durchdringen könnte und eine Verurteilung zu erwartenhabe. Sonnenschein soll unnachgiebig geblieben sein undetwas von „prinzipiellen Standpunkten“ erwidert haben.

Ich habe demgegenüber erklärt, dass von unsererSeite aus, obwohl wir unserer Sache durchaus sicher sind,dennoch Vergleichsbereitschaft bestehe, natürlich nur dann,wenn von Sonnenschein eine uns entsprechende Ehrenerklärungabgegeben und die Verpflichtung zur Bezahlung der Kostenübernommen wird.

Der Vorsitzende, dem an einem Vergleich offenbarsehr viel gelegen wäre, hat mir schliesslich noch mitgeteilt,

er werde noch mit dem Herausgeber Kovanda, der ja für dieKosten haftet, sprechen und ihn dazu zu veranlassen suchen,dass dieser seinen Einfluss auf Sonnenschein im Sinne einesVergleiches ausübe.

Im Ganzen habe ich den Eindruck gewonnen, dass sichder Richter doch schon ein wenig mit der Materie vertrautgemacht hat und die Sache für uns nicht ungünstig beurteilt.

Ich freue mich, sehr geehrter Herr Doktor, Sie am19. d.M. hier begrüssen zu dürfen, danke Ihnen herzlichstfür den liebenswürdigen Empfang, den Sie mir in Wien bereitethaben und verbleibe

mit vorzüglicher Hochachtungund besten GrüssenergebenerDr. Gallia

KrausArbeiter Ztg. 2. OKT. 1937