3.5 Brief Verlag Die Fackel an Der Tag

Materialitätstyp:

  • Durchschlag

Sender

Verlag Die Fackel (Wien)
Hintere Zollamtsstraße
III., Landstraße
Datum: 5. Jänner 1923

Empfänger

An: die Redaktion des „TAG“
Canisiusgasse 8
Wien IX.
Seite von 2

Von unserem Rechtsanwalt erhielten wir die Abschrift einesBriefes, den Sie am 19. Dezember in der Angelegenheit der die Auf-führung der „Letzten Nacht“ betreffenden Berichtigung an ihn gesandthaben. Da Sie sich in diesem Schreiben darauf berufen, dass Sie dieseauf Grund Ihrer ausserordentlichen Wertschätzung des Herrn Karl Kraus unverändert zum Abdruck gebracht haben (und nicht, wie wir gewähnthatten, auf Grund des § 23), und da wir an der Abfassung dieser Be-richtigung, die Sie „für alles andere nur keine Berichtigung“ halten,nicht unbeteiligt sind, so möchten wir Ihnen unsere Ansicht über dieGesetzmässigkeit dieser Berichtigung nicht verhehlen. Gleichfalls zurDarnachrichtung, die ja einer Zeitung, welche gewiss noch öfter indie Lage kommt, die Gesetzmässigkeit von Berichtigungen zu erwägenals ein Advokat, auch besser anstehen mag. Der Vorhalt, dass er nichteinmal schreibe, wer sein Mandant ist, und dass er es unterlasse, eineVollmacht beizulegen, geht uns allerdings nur mittelbar an, doch möch-ten wir die Gelegenheit unserer Äusserung über die Gesetzmässigkeitder Berichtigung als solcher nicht vorübergehen lassen, ohne Sie auchüber diese rein formalen Punkte zu beruhigen. Es genügt also, dass ausdem Inhalt des berichtigenden Schreibens klar hervorgeht, in wessenAuftrag es verfasst ist, und das Beilegen einer Vollmacht ist wohl fürdie Intervention des Anwalts bei Gericht, aber keineswegs für die beider Zeitung erforderlich. Dies beehren wir uns auf Wunsch des Anwalts Ihnen mitzuteilen. Das Weitere ist unsere eigene Ange-legenheit.

Sie schreiben, der ganze zweite Teil sei „eine Berichtigung,zu der nur Herr Forest ermächtigt wäre, nicht aber Herr Karl Kraus“.Sie sind im Irrtum und wir möchten beinahe bedauern, dass Ihre ausser-ordentliche Wertschätzung des Herrn Karl Kraus Sie daran gehindert hat,Ihren Standpunkt vom Gericht überprüfen zu lassen. Wozu wir nur nebst-bei erwähnen wollen, dass ein veränderter Abdruck der Be-richtigung, den Sie gleichfalls für eine der Möglichkeiten diesesFalles zu halten scheinen, von vornherein die Entscheidung nach § 23 zu Ihren Ungunsten beeinflusst hätte. Wenn Sie sich aber korrekter ent-schlossen hätten, die ganze Berichtigung ungedruckt zu lassen, weilSie den zweiten Teil für gesetzwidrig hielten, so können wir Ihnennachträglich sagen, mit welcher Auffassung die Klage durchgedrungenwäre.

Sie hatten behauptet, dass „sich Herr Forest ebenfalls aufeine Abmachung mit Karl Kraus beruft und auch noch eindiesbezüglicher Vertrag mit den Kammerspielen geschlossenwurde“. Nun ist es allerdings richtig, dass die erste dieser bei-den Behauptungen scheinbar nur die Behauptung der Tatsache ist, dasssich Herr Forest auf etwas beruft und ganz gewiss wäre Herr Karl Kraus nicht ermächtigt, diese Tatsache nach § 23 zu berichtigen. Erkann ferner auch nicht berichtigen, es sei unwahr, dass er einen dies-bezüglichen Vertrag geschlossen habe, denn eine solche Behauptung

haben wieder sie formell nicht aufgestellt. Er kann aber wohl berich-tigen, und das hat er getan, dass die indem zitierten Text enthalte-nen Tatsachen unwahr sind, so weit sie ihn betreffen. Dies erschieneuns nicht einmal dann strittig, wenn Sie sich damit begnügt hätten, vonder angeblichen Berufung des Herrn Forest auf seine angebliche Abmach-ung mit Karl Kraus zu sprechen und die weitere, ihn unmittel-bar betreffende Tatsache: „und auch noch etc. geschlossen wurdenicht beigefügt hätten. Dass durch diese Beifügung eine Herrn Karl Kraus betreffende Tatsache ganz ausdrücklich gesetzt ist, also von ihm be-richtigt werden kann, darüber besteht wohl nicht der geringste Zweifel.Durch diese Fortsetzung ist ja unverkennbar die Absicht dargetan, gera-de von Herrn Karl Kraus etwas zu behaupten, und sie verstärkt ganz ge-wiss auch das ihn berührende tatsächliche Moment der einleitenden Worte.Aber selbst, wenn Sie sich wie gesagt begnügt hätten, eine Berufung desHerrn Forest auf eine Abmachung mit Karl Kraus zu erwähnen, so hielteer sich dennoch für berechtigt, festzustellen, dass er eine solche Ab-machung nicht getroffen hat. Gewiss, die Behauptung, dass sich HerrForest auf dergleichen berufen habe, kann nur dieser berichtigen. Aberganz wie er berechtigt wäre, nicht nur die angebliche Berufung auf eineAbmachung, sondern auch diese selbst zu bestreiten, ganz ebenso hatjener, der etwas mit ihm abgemacht haben soll, ein Recht, dieser Unwahrheit die Wahrheit entgegenzustellen. Liesse der § 23 eine solcheMöglichkeit nicht zu, so könnte ja die Presse jede Tatsache, die sievorbringen will, in der Form vorbringen, dass irgend jemand sich daraufberufe. An der angeblichen Abmachung mit Herrn Forest ist Herr Karl Kraus doch beteiligt; infolgedessen auch an der Tatsache, dass Herr Forest angeblich behauptet, er habe jene mit ihm getroffen, also ganz und garan der Tatsache im Sinne des § 23. Eine Zeitung kann wohl im Ernstnicht glauben, dass wenn sie melden wollte: Ein Gewährsmann behauptet,dass X gestohlen habe, die Tatsache dann bloss die Behauptung des Ge-währsmanns und nicht die des Diebstahls des X und darum bloss jener zurBerichtigung ermächtigt sei. Sie würde dann nie eine Berichtigung erhal-ten, da von den Gewährsmännern keine zu befürchten ist. Was Sie be-hauptet haben (und woran Sie Ihre ausserordentliche Wertschätzung nichtgehindert hat), war aber gar nichts anderes, als dass Herr Karl Kraus mit zwei Parteien über eine und dieselbe Sache zwei verschiedene Ver-träge geschlossen habe. Ob Sie sich dabei auf jemand, der sich daraufangeblich beruft, oder jemand dritten, der es Ihnen erzählt hat, beru-fen, ist für den Berichtigungsanspruch dessen, dem es imputiert wird,völlig belanglos. Wir wollen Ihnen ja nicht zu bedenken geben, ob jeneWertschätzung, die Sie einzig bewogen hat, die Berichtigung zu drucken,Sie nicht lieber hätte davon abhalten sollen, die Behauptung zu druckenund auch sonstiges Gerede zu kolportieren, von dem auch nicht ein ein-ziges Wort wahr gewesen ist. Aber ganz entschieden lehnt Herr KarlKraus die Vorstellung ab, dass er Ihrer ausserordentlichen Wertschät-zung und nicht seinem rechtlichen Anspruch eben dessen Erfüllung zuverdanken habe.

Hochachtungsvoll