20.6 Urteil des Strafbezirksgerichts I Wien (Karl Adam Fryda, Rat des Landesgerichts für Strafsachen)

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Datum: 21. September 1926
Seite von 2

U I 237/265

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Der Beschuldigte Dr. Fritz Kaufmann, 16.VIII.1896geb., verh., verantw. Schriftleiter der „Stunde“, ist schuldig,obwohl er über Anklage des Privat-Ankläger Karl Kraus mit Urteils des Strafbezirksgerichtes I in Wien vom 27. April1926, G.Z. U I 286/25/17, gemäss § 43 Press-Ges. zur Veröffent-lichung dieses Urteiles in der ersten oder zweiten Nummer derStunde“, welche nach Rechtskraft dieses Urteiles erscheinenwerde, in der im § 23 Press-Ges. vorgeschriebenen Weise ver-pflichtet war, widrigenfalls die genannte Zeitung nicht mehrerscheinen durfte, welches Urteil mit Urteil des Landesgerichtesin Strafsachen Wien I als Berufungsgericht vom 30. August 1926,G.Z. U I 286/25/23, bestätigt wurde, trotzdem die Nummern 1032bis 1061 der Zeitung „die Stunde“ erscheinen lassen, ohnedass in der ersten oder zweiten Nummer der „Stunde“ nachRechtskraft des Urteiles die Verpflichtung zur Veröffentlichungerfüllt worden wäre.

Er hat hiedurch in dreissig Fällen die Übertretungen nach§ 24, Abs. 6 Press-Ges. begangen und wird nach dieser Gesetzes-stelle unter Anwendung des § 267 St.Ges. zu einer Geldstrafe inder Höhe vonS. 60.– (Schilling Sechzig) im Nichteinbringungs-falle zu einer Arreststrafe in der Dauer vondrei Tagen und gemäss § 389 St.P.O. zum Ersatze der Kosten des Straf-verfahrens verurteilt.

Wien, am 1/10. 1926[Unterschrift]

Gründe :

Durch die Feststellungen aus dem hg. Akte U 286/25erscheint in Übereinstimmung mit dem Geständnis des Beschuldigten die Verpflichtung des Dr. Fritz Kaufmann als verantw. Schrift-leiter der Zeitung „Die Stunde“ zur Veröffentlichung des Urteiles O. No 17 des vorcitierten Aktes nachgewiesen. Durch das mit derPrivatanklage im Einklang stehende Geständnis das Beschuldigten ist erwiesen, dass er in den Nummern 10-30 und 1031 der „Stunde dieser Veröffentlichungspflicht nicht nachgekommen ist. Trotz-dem sind – wie auf Grund der gleichen Beweisquellen feststeht-die Nummern 1032 bis 1061 erschienen. Die Verantwortung des Besch. er habe nicht böswillig, sondern nur aus Vergesslichkeit dieVeröffentlichung unterlassen, ist nicht geeignet, ihn zu exculpieren,da zum Tatbestand der Übertretung nach dem § 24/5 Press-Ges. derböse Vorsatz nicht gefordert wird. Seine weitere Verantwortung,es könne seine Strafbarkeit deshalb nicht gegegen sein, weil ergemäss § 43 Press-Ges. unter Umständen urteilsmäßig auch zurVeröffentlichung in einer anderen (fremden) Zeitung, auf derenErscheinen oder Nichterscheinen ihm kein Einfluss zustehe, hätteverhalten worden sein können, ist hinfällig, weil gemäss § 43,Abs. 1 Press-Ges. die Strafsanktion des § 24, Abs. 6 Press-Ges. eben nur auf den Fall der Veröffentlichungspflicht in der be-treffenden („eigenen“) Zeitung Anwendung findet. Durch dasverbotswidrige Erscheinen der Nummern 1032 bis 1061 der „Stundehat daher der Beschuldigte dreissigmal die Uebertretung nach § 24,Abs. 6 Press-Ges. begangen.

Bei der Strafbestimmung wurde aber trotz dos Wortlautesdes § 5 Press-Ges. auf § 267 St. Ges. Bedacht genommen und aufeine einzige Kumulativstrafe erkannt, weil nach der Entscheidungdas Obersten Gerichtshofes vom 5. Jänner 1925, Os IV 472/24, SSt. V/1die Anwendbarkeit des § 5 Press-Ges. nur dann gegeben erscheint,wenn es sich um zwei oder mehrere voneinander verschiedene Übertretungen des Press-Ges. handelt, – Bei der Strafbemessung warmildernd das Geständnis und der glaubhafte Mangel des bösen Vorsatzes, erschwerend: Vorstrafen.

KrausStunde (Dr. Kaufmann) § 24. PG.

Der Richter Wien am 21. IX 1926 Der SchriftführerDr. Fryda mp 2. Okt. 1926 Dr. Heublum mp