20.13 [Bitte] um Einleitung einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gemäß § 292 St.P.O. (Brief Samek an Generalprokuratur)

Materialitätstyp:

  • Typoskript mit handschriftlichen Annotationen

Schreiberhände:

  • Oskar Samek, rote Tinte
  • schwarze Tinte
Seite von 4

An dieGeneralprokuratur,Wien.

Dr. Samek als Anwalt des PrivatanklägersKarl Kraus,Schriftstellerin Wien, III. Hintere Zollamtsstrasse 3

1 fach

bittet um Einleitung einerNichtigkeitsbeschwerde zurWahrung des Gesetzes gemäss§ 292 St.P.O.

Wird dem Herrn Einschreiter mitder Bekanntgabe rückgemittelt, daß dieGeneralprokuratur laut Zuschrift vom14./II.1927 Zl 157/27/2 keinen Anlaß zueiner ihr zusehenden Amtshandlung ge-funden hat.

21. Februar[Unterschrift]

In der Strafsache über Anklage desPrivatanklägers Karl Kraus gegen den verantwortlichenSchriftleiter der „StundeDr. Fritz Kaufmann G.Z.U I 237/26 des Strafbezirksgerichtes I in Wien wurdeder Beschuldigte Dr. Fritz Kaufmann schuldig erkannt,in 30 Fällen das Urteil des Strafbezirksgerichtes Iin Wien vom 27. April 1926 G.Z. U I 286/25/17 nichtveröffentlicht zu haben, hiedurch in 30 Fällen dieÜbertretungen nach § 24 Abs. 6 Press Ges. begangen zuhaben und wurde nach dieser Gesetzesstelle unter An-wendung des § 267 St.G. zu einer Geldstrafe in derHöhe von S 60.–, im Nichteinbringungsfalle zu einerArreststrafe in der Dauer von 3 Tagen verurteilt.

In den Urteilsgründen wurde ausge-führt, dass bei der Strafbestimmung trotz des Wortlau-tes des § 5 Press Ges. auf § 267 St.G. Bedacht genommenund auf eine einzige Kumulativstrafe erkannt wurde,weil nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 5. Jänner 1925 O.s IV 472/24 die Anwendbarkeit des§ 5 Press Ges. nur dann gegeben erscheine, wenn essich um mehrere von einander verschiedene Übertretungendes Press Gesetzes handle.

Die Berufung des Privatanklägers punkto Nichtigkeit, gestützt auf § 281 Z. 11 St.P.O. wurde als unbegründet zurückgewiesen.

Die Urteilsgründe führen aus, dassder geltend gemachte Nichtigkeitsgrund nach § 281 Z. 11St.P.O. nicht vorliege, weil es sich lediglich um dieFortsetzung einer und derselben strafbaren Unterlassung

handle, welche Gegenstand der nämlichen Untersuchung undAburteilung war, weshalb für die Strafbemessung lediglichder Erschwerungsgrund nach § 263a St.G. vorliege. Demstehe auch die Bestimmung des § 25 des Press Ges. nichtentgegen, da sich diese Gesetzesstelle nur auf entgelt-liche Ankündigungen beziehe.

Da nach meinem Dafürhalten die oberstge-richtliche Entscheidung hier missverständlich auf einenFall angewendet wurde, für den sie nicht beabsichtigtwar, bitte ich um Einleitung der Nichtigkeitsbeschwerdezur Wahrung des Gesetzes.

Ich will es dahingestellt lassen, ob tat-sächlich durch den § 5 des Press Ges. die Vorschrift des§ 267 St.G. nur in der Weise abgeändert worden ist, dasswenn jemand in ein und demselben Urteil schuldig erkanntwurde, sich gegen mehrere unter sich verschiedene Straf-bestimmungen des Press Ges. vergangen zu haben, von denenjede für sich mit einer Geldstrafe bedroht ist, die Stra-fe nicht nach derjenigen verletzten Vorschrift zu bemes-sen ist, welche die höchste Geldstrafe bestimmt, sondernmehrere Geldstrafen nebeneinander zu verhängen sind. DieVorschrift des § 267 St.G. wurde eben nicht nur durchden § 5 des Press-Ges., sondern auch durch die §§ 24 und 25 des Press Ges. abgeändert. Es wäre sinnlos vondem Gesetzgeber im § 24 Abs. 6 das Erscheinen jederweiteren Nummer der Zeitung vor Erfüllung der Verpflich-tung zur Veröffentlichung als eine Übertretung zu er-klären, für die der verantwortliche Schriftleiter zubestrafen ist, wenn die Fortsetzung des Deliktes nureine Gesamtstrafe zur Folge haben könnte. Der § 25 Press-

Ges. spricht noch dazu ausdrücklich davon, dass der ver-antwortliche Schriftleiter für jede vor Er-füllung der Verpflichtung er-schienene Nummer wegen Übertretung zubestrafen ist.

Ich glaube noch darauf hinweisen zu müssen,dass durch die von mir für unrichtig gehaltene Rechts-ansicht dieser Entscheidungen dem Missbrauch durch diePresse Tür und Tor geöffnet wird und der verantwortlicheSchriftleiter geradezu ermuntert wird, sich über seineVerpflichtung zur Veröffentlichung hinwegzusetzen.

Dr. Oskar Samek als Anwalt des Herrn Karl Kraus.

KrausKaufmann § 24 22. Feb. 1927