27.9 Beschluss des Strafbezirksgerichts I Wien (G.Z. U XII 1761/26, Karl Adam Fryda, Rat des Landesgerichts für Strafsachen)

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Datum: 4. Juli 1927
Seite von 2

U XII 1761/26/9

BESCHLUSS.

Strafsache gegen Ernst ELY wegen Übertretung nach § 45.Absatz 4 Urh.Ges.

Das gegen Ernst ELY, auf Grund des vom P.A. Karl Kraus gestellten Strafantrages anhängig gemachte Strafverfahren we-gen Übertretung nach § 45 Abs. 4 Urh.Ges. wird gemäߧ 46 St.P.O. (§ 531 St.G.)eingestellt.

Gemäß § 390/ St.P.O. werden die Kosten des Strafverfah-rens dem P.A. auferlegt.

GRÜNDE.

Der P.A. verfolgte eine nach § 45, Abs. 4 Urh.G. unter Anklage gestellte Handlung des Beschuldigten, die am10/12 1925 gesetzt wurde. Der Strafantrag wurde am 16/11 1926hg. gestellt. Die erste Verfolgungshandlung gegen den Besch.Ernst Ely geschah am 4/12 1926. Auf die Übertretung des § 45Urh.G. war gem. der zit. Gesetzesstelle vor Inkrafttretender Strafgesetznovelle ex 1926 (B.G.Bl. Nr. 192) ein Straf-satz in der Höchstgrenze von 300 S gesetzt. Entsprechend derdamaligen Fassung des § 532 St.G. betrug die Verjährungsfristdaher 1 Jahr. Im Hinblick aber auf die durch die zit. Novelle gleichfalls geänderte Fassung des § 532 St.G. beträgt nun-mehr die Verjährungsfrist die auf die fragliche Übertretunggesetzte Höchststrafe auf 2500 S erhöht wurde, nur mehr 6Monate. Es ist daher Verjährung der bezüglichen Straftat ein-getreten, falls man mit dem Gericht aus den unten zu entwick-elnden Gründen der zit. Strafgesetznovelle auch hinsichtlichder Bestimmungen über die Verjährung rückwirkende Kraft zu-erkennt.

Umstände, die die Verjährung unterbrechen, liegen nichtvor. Insbesondere ist gegen den Beschuldigten dermalen nurmehr das Strafverfahren zur hg. Zl. U I 16/26 anhängig, welche

Strafsache am 21/1 1926 hg. angefallen ist, daher eine vordiesem Zeitpunkte begangene Straftat betrifft. Auch wenndarin Urteilsmäßig ein straffälliges Verhalten des Beschul-digten festgestellt werden sollte, so kann dieses Faktum dasEintreten der Verjährung nicht hindern, da vom 21/1 1926bis zum 4/12 1926 wieder mehr als 6 Monate verstrichen sind(Entscheidung des O.G.HI/6) –. Dass aber die Bestimmungender oben erwähnten Strafgesetznovelle auch hinsichtlich derVerjährungsfrist auf vor dem 1/9 1926 begangene Handlungenzurückwirken, ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Wenngleich im Art. IX der zit. Strafgesetznovelle nur den im Art. I enthaltenen Bestimmungen ausdrücklich rück-wirkende Kraft zugesprochen wird, so kann doch nicht etwaarg. a contr. die rückwirkende Bestimmung der Novelle dannverneint werden, wenn diese Rückwirkung sich aus anderen Gesetzesbestimmungen ergibt. Dies trifft aber hier zu. Gem.Art. IX Kundmachungspatent zum St.G. ist eine allgemeine Rückwirkung strafgesetzlicher Bestimmungen auf vorher begangene Handlungen dann außer Frage, wenn die neuen Bestimmungenden Täter günstiger stellen. Auch folgende praktische Erwä-gung läßt die Richtigkeit des hier ausgesprochenen erkennen:

Würde man die Rückwirkung der Verjährungsbestimmungenverneinen, so würde der Fall eintreten, dass eine mit derStrafe des § 45 Urh.G. belegte Handlung, die am 30/8 1926gesetzt ist, noch am 29/VIII des nächsten Jahres verfolgtwerden kann, während eine am 1/9 begangene Handlung bereits am2/3 des nächsten Jahres nicht mehr verfolgbar wäre, was ge-wiß nicht die Absicht des Gesetzes sein kann. Es war daherdas anhängig gemachte Verfahren gem. § 46 St.P.O. (531 St.G.)einzustellen. Da es sich um eine strafprozessuale Beendigungs-art eines Strafverfahrens handelt, war die Kostenentscheidunggem. § 390 St.P.O. zu treffen.

Strafbezirksgericht I. in Wien.Wien, am 4/7 1927.Dr. Fryda [Unterschrift]

14. Juli 1927KrausEly