31.3 Brief Hans Liebstöckl an Kraus

Materialitätstyp:

  • Durchschlag

Sender

Hans Liebstöckl
Canisiusgasse
Wien
Datum: 20. Juli 1925

Empfänger

An: Karl Kraus
Wien
Seite von 2

Abschrift:

Im Verlaufe eines Artikels, der den Titel: „Ent-larvt durch Békessy“ trägt, geben Sie den Wortlaut eines Ausspruchesüber die „Stunde“ wieder, den ich angeblich vor irgend welchen Ohrengetan haben soll.

Ich sende Ihnen daraufhin eine Richtigstellung imSinne des Pressgesetzes, die diesem Briefe beiliegt.

Die Wortkargheit, die das Pressgesetz dem Einsen-der einer Berichtigung auferlegt, zwingt mich aber, gleichzeitig demUnmut darüber Raum zu geben, den Ihre leichtfertige und mich herab-setzende Behauptung in mir und bei meinen Freunden geweckt hat.

Sie bezweckten wohl damit nichts Geringeres, alsmir, nach mehr denn 25 Jahren treuer und strenger Pflichterfüllungin einem ebenso schweren, als aufreibenden und opfervollen Berufe,anzusinnen, dass ich in einer Zeitung diene, die ich für ein „Banditen-blatt“ hielte, ungefähr wie ein schlechter Dienstbote, der ausserhalbdes Hauses kein gutes Haar an seinen Leuten lässt.

Die Zumutung der Undankbarkeit einem Manne wie mir

Emerich Békessy gegenüber, der sich mir in der kurzen Zeit meinerZugehörigkeit zu den Blättern seines Verlages, als aufrichtiger,wohlwollender, Begabung, Freimut und Gesinnung wie nur wenige Zei-tungsherausgeber hochschätzender und fördernder Freund bewährt hat,weise ich auf das Entschiedenste zurück. Wer mich, mein Wesen undmeine Schriften kennt, weiss, dass ich nicht einen Augenblick beieiner Zeitung bleiben würde, die ich etwa verachten gelernt hätte.

Meine Schätzung der Dinge und Menschen vor An-deren zu beziehen oder mir gar vorschreiben zu lassen, habe ichwohl nicht nötig. An Erfahrung, Urteil und Blick fehlt es mir kei-neswegs, und nichts kann mir gleichgültiger sein, als ob meine Auf-fassungen und Handlungen mit den Meinungen und Taten Anderer über-einstimmen.

Ich werde also auch weiterhin vollkommen unab-hängig nach meinem besten Gewissen schreiben, wo und wie es mirpasst.

In diesem Schreiben bitte ich Sie nur darum,freundlichst festzustellen, dass ich die obige Aeusserung niemalsund nirgends und vor keinerlei Ohren getan habe. Sollten Sie widerErwarten dieser kollegialen Bitte nicht entsprechen, so ersuche ichSie, diesen Brief als ungeschrieben anzusehen und beschränke michauf die beigefügte, dem Pressgesetz entsprechende Berichtigung.

HochachtungsvollHans Liebstoeckl

Beiliegend: eine Berichtigung!

Rekommandiert!