31.12 Brief Samek an Verlag Die Fackel

Materialitätstyp:

  • Typoskript

Sender

OSKAR SAMEK | Rechtsanwalt
Schottenring 14
Wien, I.
Datum: 3. September 1925
Betreff: Kraus – Liebstöckl

Empfänger

An: den | Verlag der „Fackel“
Hintere Zollamtstrasse 3
Wien III.
Seite von 2

Nachfolgend gebe ich Ihnen einen Bericht über dieheutige Verhandlung.

Dr. Liebstöckel verantwortete sich folgendermassen: „Ichhabe den inkriminierten Brief selbst geschrieben und zwar imUnmut darüber, dass vom Kläger eine angebliche Aeusserung vonmir weitergegeben wurde, die mich in der Öffentlichkeit herunter-setzen musste und die ich nie und nirgends getan habe. Mir fehltejede beleidigende Absicht. Ich kann in der inkriminierten Aeusse-rung eine Beleidigung überhaupt nicht erblicken, weil das Wort‚leichtfertig‘ im journalistischen Gebrauche so viel wie ‚man-gelhaft fundiert‘ bedeutet, daher nicht die Schärfe wie im sonsti-gen Sprachgebrauch besitzt. Ich hätte ebenso ‚sonderbar‘ oder ‚merk-würdig‘ sagen können. In diesem Sinne habe ich das Wort gebraucht.

Dem gegenüber brachte ich vor: „Herr Kraus hat dieAeusserung des Beklagten von der in Wien VI. Mariahilfferstrasse 47 1. Stiege wohnhaften Bankdirektorsgattin Alma Pollak erfahren. FrauPollak erscheint vollkommen glaubwürdig. Sie hat die Aeusserungnicht allein gehört, sondern auch drei andere Zeugen, deren Namenund Adressen Frau Pollak bekanntgeben kann. Sie hat auch davonHerrn Kraus Mitteilung gemacht.

Ferner möchte ich darauf hinweisen, dass Herr Dr. Liebstöckel

als Schriftsteller so sprachgewandt ist, dass, wenn er etwas ‚merk-würdig‘ findet, er es nicht als ‚leichtfertig‘ bezeichnen würde.“

Daraufhin wurde die Verhandlung zur Vernehmung der FrauAlma Pollak vertagt. Der Termin wird schriftlich bekanntgegebenwerden und über meinen Wunsch erst nach dem 20. September 1925 statt-finden, damit Herr Kraus eventuell Gelegenheit hat, persönlich derVerhandlung beizuwohnen.

HochachtungsvollSamek