34.14 Berufungsausführung von Anton Kuh

Materialitätstyp:

  • Manuskript
Datum: 14. Dezember 1926
Seite von 8

Dr. Schnepp Strafbez. Ger. I U IV 570/26/1214. Dez. 26

An dasStrafbezirkgericht I Wien

Antragsteller:Anton Kuh,SchriftstellerWien III., Hotel Beatrix durch: R.A. Dr. Friedrich Schnepp IX. Porzellang. 22a (Vollmacht ausgewiesen)

Berufungsausführung

1 fach

Ich habe gegen umseitigrubriziertes UrteilBerufung pto. Nichtigkeit, Schuld und Strafe an-gemeldet, welche ich in offener Fristfolgendermaßen ausführe:

1) Nichtigkeit und Schuld

Ich mache den Nichtigkeitsgrundgemäß § 9a, St.P.O. geltend.

Der Herr Erstrichter hat zuUnrecht angenommen, daß die mirzur Last fallende Tat eine durchdas Strafgericht verfolgbare Übertretungbegründe.

Die in meinem VortrageDer Affe Zarathustra“ vorgebrachtenÄußerungen, durch die sich der Privatankläger beleidigt fühlt, können nichtals Übertretungen gemäß § 491 St.G. angesehen werden, da die beleidigendeAbsicht vollkommen fehlt.

Wie ich bereits vor dem Herrn Erst-

richter zu meiner Verantwortungausgeführt habe, ist zwischen demPrivatankläger und mir eine li-terarische Fehde entbrannt und sinddie in der Privatanklage inkriminiertenÄußerungen als berechtigte Kritik,nicht aber als Ehrenbeleidigungenanzusehen. Es liegt im Wesen einesliterarischen Kampfes die Schwächedes Gegners und seines Systemszu brandmarken. Wird dies nachAnsicht des Erstgerichtes als eine Ehren-beleidigung angesehen, so müßte jederliterarische Krampf und jede Kritikein Ende finden.

Insbesonders ist aber zu unrechtder Schuldspruch der ÄußerungenItzigseuchedie besten Witze hat er von mirals Kraus vor ungefähr 30 Jahren –er sagt vor 48 Jahren – nach Wien kamvon reinen Händen allein kann mannicht leben

das nenne ich die Geburt desEthos an dem Geiste des Aseserfolgt.

Wie aus dem Inhalte der An-klageschrift selbst hervorgeht, habe ichmit „Itzigseuche“ die Zustände bezeichnet,die infolge Tätigkeit des Privatan-klägers entstanden sind, wobei ichausdrücklich hervorgehoben habe, daßdiese möglicherweise sogar ohne Ver-schulden des Privatanklägers ent-standen sind.

Ich wollte daher mit der Be-zeichnung „Itzigseuche“ nicht denPrivatankläger selbst, sondern seineAnhänger, die auch allein legitimiertgewesen wären die Anklage zu erheben,kennzeichnen.

Die Äußerung „als Kraus vorungefähr 30 Jahren – er sagt vor 48 Jahren –nach Wien kam“ beinhaltet auch keineEhrenbeleidigung – da, wie ich schonvor dem Herrn Erstrichter erklärte,

mir nicht darum zu tun ist, denPrivatankläger einer Lüge zu zeihen,vielmehr wollte ich nur festhalten,daß Kraus geistig zu den Boden-ständigen zählt, was ja an sich nichtsunehrenhaftes ist.

Die Äußerung „von reinenHänden allein kann man nichtleben“ ist ein geflügeltes Wort, welchesder Privatankläger selbst geschaffenhat und beinhaltet ebenfalls keine Ehren-beleidigung. Ich habe durch dieses Vor-bringen niemals die Absicht gehabtBehauptung aufzustellen, daß derPrivatankläger keine reinen Händehabe, wollte vielmehr nur daraufhinweisen, daß Ehrlichkeit allein keinebesondere Leistung, sondern etwas Selbst-verständliches sei, daher kein besondererGrund bestehe irgend jemand wegenseiner Ehrlichkeit allein zu ver-herrlichen.

Zum Schuldspruche wegen

der Äußerung, „die Geburt des Ethosaus dem Geiste des Ases“ ist der HerrErstrichter dadurch gekommen, daß ermeine Beweisanträge betreffenddie Bedeutung des Wortes „Ases“abgelehnt hat und dem Worte„Ases“ die Bedeutung zugrundelegte,welche ihm der Privatankläger gab ohne sich von der Richtigkeitdieser Interpretation zu überzeugen.Ebenso zu Unrecht ist die Ver-urteilung wegen des VorwurfesKraus habe die besten Witze von mirerfolgt, da ich diesbezüglich den Wahr-heitsbeweis anbot, welcher unge-rechtfertigter Weise abgelehnt wurde.

2.) StrafeJedoch selbst für den Fall alsder Schuldspruch gerechtfertigt wäre,erscheint die verhängte Strafe, mitRücksicht auch die schwerwiegendenMilderungsgründe, denen

keine erschwerende Umständeentgegenstehen, unverhältnismäßighoch. Es handelt sich im gegenständ-lichen Fall nicht um eine land-läufige Ehrenbeleidigung. Es warniemals meine Absicht den Privat-ankläger persönlich zu verspotten.Ich habe in Erfüllung meiner Pflichtim Kampfe gegen eine nach meinerÜberzeugung für die Allgemeinheitschädlichen Strömung, die Schwächendieser Strömung und deren Be-gründers an den Pranger gestellt,worin nur eine berechtigte Kritik,die überhaupt nicht strafrechtlichverfolgbar ist, erblickt werden kann.

Wenn der Herr Erstrichter den-noch, der Ansicht war, daß ichin der Ergänzung etwas zu weitgegangen bin und daß daherder Tatbestand des § 491 St.G.

vorliege, so wäre doch mit Rück-sicht auf diese mildernden Um-stände eine geringe bedingteStrafe angemessen gewesen.

Ich stelle daher denAntrag das erstrichterliche Urteil aufzuhebenund mich von der Übertretunggemäß § 491 St.G. freizusprechen,eventuell die Strafe nach Ermessendes hohen Berufungsgerichtes zu er-mächtigen.

Anton Kuh