64.3 Beschwerde gegen den Bescheid vom 12. Januar 1927

Materialitätstyp:

  • Durchschlag
Datum: 31. Januar 1927
Seite von 4

P.D.Zl. 4-11.321/1926

An diePostdirektion für Wien Nieder-Oesterreich undBurgenland,Wien.

Verlag „Die Fackel Herausgeber: Karl Kraus,Wien III. Hintere Zollamtsstrasse 3,durch:

1 fach 1 Vollmacht,

Berufunggegen den Bescheid vom 12. Jänner 1927 P.D.Zl. 4-11.321/1926.

Gegen den Bescheid vom 12. Jänner 1927, zuge-stellt am 17. Jänner 1927, bringe ich folgende Berufungan die Generaldirektion für die Post- und Telegraphen-verwaltung in Wien I. ein.

Der Bescheid lehnt unsere Ersatzansprüche ab,weil die Postanstalt gemäss Art. 50 des Weltpostver-trages von Stockholm, Bundesgesetzblatt Nr. 329/25 nur fürden Verlust einer Einschreibsendung hafte und die Post-direktion der Ansicht ist, dass im vorliegenden Falle einsolcher Verlust nicht eingetreten ist. Den ist aber ent-schieden zu widersprechen. Verloren ist eine Sendung dannwenn sie weder dem Empfänger noch den Absender zugestelltwurde und die weitere Behandlung derselben nicht dem Vor-schriften der Postordnung entspricht. Die Auffassung, dassein Verlust nur dann anzunehmen ist, wenn die Sendung derPostanstalt verloren gegangen ist, würde zu der absonder-lichen Konsequenz führen, dass der willkürliche Verkaufeiner Sendung vor versuchter Zustellung an den Empfängergleichfalls nur den Anspruch auf den Verkaufserlös, nichtaber auf die volle Entschädigung für verloren gegangeneEinschreibesendungen Anspruch gibt. Nach § 195 der Post-ordnung ist der Absender, wenn er nicht aussen auf derSendung angegeben ist, durch Eröffnung derselben zu er-mitteln. Nach Vollzug des Ermittlungsverfahrens ist dieSendung mit dem Dienstsiegel zu verschliessen und dem Ab-sender durch das zuständige Postamt zurückzustellen. Dadie Sendung ein Buch des Herrn Karl Kraus enthielt, aufdessen erster Seite eine Widmung des Verfassers an denEmpfänger geschrieben war, so war leicht die Möglichkeitgegeben den Absender zu ermitteln und ihm das Buch zurück-zustellen. Aber selbst wenn der Postbeamte diese Widmung

übersehen haben sollte, war die Möglichkeit der Rück-stellung an den Absender noch immer durch die am 5. Mai1926 erfolgte Reklamation gegeben. Nach Absatz 3b des§ 195 der Postordnung musste die Sendung ein halbesJahr aufbewahrt bleiben. Die Frist beginnt mit demnächsten der Eröffnung folgenden Monatsersten. Selbst beiAnnahme der Rückkunft der Sendung aus Paris noch imDezember 1925 lief die sechsmonatliche Frist erst am30. Juni 1926 ab. Wahrscheinlich ist aber die Sendungerst im Jänner 1926 zurückgelangt, sodass die Frist erstam 31. Juli 1926 abgelaufen ist. Da die Reklamation am5. Mai 1926 erfolgte, so musste die Sendung zurückgestelltwerden. Hiezu war auch noch genug Zeit vorhanden, da derVerkauf des Buches am 22.IX.1926 im Dorotheum erfolgte.

Da also das im Zeitpunkt unserer Rekla-mation vorhandene Buch uns nicht zurückgestellt wurde,obwohl es vorhanden war, muss es für uns wie ein ver-lorenes angesehen werden. Der nachträgliche Verkauf, dernur auf ein Verschulden der Post zurückzuführen ist, kannuns nicht um unser Recht auf volle Entschädigung füreingeschriebene Sendungen bringen. Wir haben deshalbden uns übersendeten Verkaufserlös des Buches nur unterVorbehalt angenommen und stellen denBerufungsantrag,uns die Differenz auf die volle Entschädigungsgebühr fürverloren gegangene eingeschriebene Sendungen zuzusprechenund zu überweisen.

Verlag „Die Fackel“ Herausgeber: Karl Kraus.

Kraus Postbeschwerde31. Jan. 1927