68.79 Brief Sigismund von Radecki an Samek

Materialitätstyp:

  • Manuskript

Sender

Sigismund v. Radecki
Passauerstr. 38 | III Et. bei Lewinsohn
Berlin W 50
Datum: 8. Febr. 28

Empfänger

An: Oskar Samek
Schottenring
I., Innere Stadt
Datum: 10. Feb. 1928
Seite von 2

Sehr geehrter Herr Dr. Samek!

Hier die Ergänzungen meines Berichts. Die Anregungzum Vergleich ging nicht vom Richter aus, welcher dieHände auf dem Bauch gefaltet hatte und die ganzeZeit über kaum den Mund auftat. Sondern vomgegnerischen Anwalt, der, als der Anwalt von HerrnKraus bereitwillig darauf einging, noch festgestellt wissenwollte, daß der Vergleich von beiden Seiten zugleichgewünscht würde, wie er es ja in einem vorhergehendenGespräch mit dem Anwalt von Herrn Kraus beredet habe.

Wer der Anwalt von Herrn Kraus war (ein beleibter,untersetzter, schwarzhaariger Herr mit einer Brille) weißich nicht. Ich glaubte, daß es der Abgeordnete Levi sei,weil dieser mir in einem Gespräch im Herbst als derAnwalt bezeichnet worden war.

Das Wort „Literatengezänk“ ist von keiner Seitegefallen, was ja auch nicht gut möglich war, daHerr Kerr daneben stand. (Ich sagte in meinemBrief: „obwohl das Wort selbst natürlich nicht fiel.“)Vielmehr wurde die Angelegenheit von beidenAnwälten als etwas Unwichtiges, als Literatengezänkbehandelt. Beweis dafür: die zwei, in meinem Brief unterstrichenen, wörtlichen Äußerungen der beidenAnwälte (etwa: „Herr Kraus und Herr Kerr halten seien mit wichtigeren Dingenbeschäftigt, als daß die Austragung dieser Sache ihnen noch Zeit wegnehmen sollte solle “ (und der gegnerische Anwalt: „Die Justiz habewahrhaftig wichtigere Dinge zu tun, als mit solchen Sachen ihrekostbare Zeit zu verbringen“)

Das sind die beiden Äußerungen in dieser Richtung,

die ich mir, weil besonders charakteristisch, wörtlichgemerkt habe. Durch sie, und noch manche andere,mildere, durch den Tonfall etc. wurde eben die ganzeSache auf ein Niveau gestellt, daß ich selber inmeinen Brief als das Niveau des unwichtigenLiteratengezänkes bezeichnet habe. Der Eindruckdrängte sich einem gradezu auf und war hatte sich auchin meiner Begleiterin, ganz unabhängig von mir,gebildet.

Mit den besten GrüßenIhrSigismund v. Radecki

KrausKerr10. Feb. 1928