Alfred Kerr hatte im Dezember 1926 Karl Kraus im Berliner Tageblatt als „kleine[n] mieße[n] Verleumder mit moraligem Kitschton“ bezeichnet. Oskar Samek und Kraus wollten auf Basis dieses Artikels den deutschen Rechtsweg beschreiten und in Berlin eine Ehrenbeleidigungsklage gegen Alfred Kerr einbringen. In Berlin wurde Justizrat Viktor Fraenkl als Kraus’ deutscher Rechtsvertreter engagiert. Bevor die Klage eingebracht wurde, beriet sich Oskar Samek ausführlich mit Victor Fraenkl, um Alfred Kerr nicht die Möglichkeit zu geben, Widerklage einzureichen. Schließlich hatte auch Kraus oft gegen Alfred Kerr polemisiert. Kerrs Rechtsanwälte beantragten etwa, die Eröffnung des Hauptverfahrens abzulehnen, da Kraus eben bereits ausführlich gegen Kerr polemisiert habe. Ihr Mandant hätte dies ebenso einklagen können. Zudem wurde betont, dass Kerr von Kraus’ Anwürfen erst sehr spät erfahren und dadurch sein Artikel aus dem Dezember 1926 quasi eine „direkte Erwiderung“ auf Kraus’ Beleidigungen sei. Weiters wurde versucht darzulegen, dass Kerr den Ausdruck „Verleumder“ nicht im Sinne des § 185 St.G.B. benutzt habe, sondern lediglich als „übliche Bezeichnung für bösartige Beleidigungen“. Schließlich sei es einfach unwahr, dass Kerr ein „Kriegshetzer“ sei, wie Kraus behauptete, und keinesfalls habe er alle unter dem Pseudonym „Gottlieb“ veröffentlichten, kriegshetzerischen Gedichte zu verantworten (68.10). In der folgenden Fackel 759–765 allerdings bezeichnete Kraus Kerrs Kritiken als „Fürze“ und ihn selbst als „Mosses Eintänzerich“. Aufgrund dieser Äusserungen konnte Kerr nun jene Widerklage einbringen, die vorher durch Eintritt der Pressverjährung nicht möglich gewesen war (68.44: „Ich muss ihm auf diesen nicht literarischen Wege folgen“). Auch dass die Beleidigung Kerrs im Ausland (Österreich) stattgefunden habe, konnte nicht geltend gemacht werden, da die Fackel auch in Deutschland vertrieben wurde. Kraus trat nun den Wahrheitsbeweis für seine Äußerungen gegen Kerr in einem Schriftsatz (68.61) an, der 75 Seiten umfasste. Oskar Samek bat Fraenkl in Berlin um Geduld und kündigte an, dass der Schriftsatz sehr umfangreich sein werde, „da es notwenig erscheint, auf sämtliche Behauptungen des Herrn Kerr einzugehen und insbesondere genau darzustellen, wie er durch falsche Zitierung und durch Einhaltung der verleumderischen Methode, die er Herrn Kraus zum Vorwurf macht und durch Erweckung patriotischer Gefühle ein falsches Bild beim Gerichte hervorrufen will. Die Angelegenheit Kerr wird in diesem Schriftsatz erschöpfend und vernichtend für Kerr dargestellt werden“ (68.57). Kerr antwortete wiederum mit einem 30 Seiten umfassenden Schriftsatz (68.74). Beide Kontrahenten gingen in ihren Anklagen 31 Jahre zurück. Anfang Februar 1928 einigten sich die Anwälte schließlich auf einen Vergleich – Klage und Widerklage wurden zurückgenommen und die Kosten geteilt. Kraus’ Freund Sigismund von Radecki, der dem Prozess in Berlin beiwohnte, berichtete Kraus in Folge von den sehr negativen Eindrücken, die er von der Verhandlung hatte: Fraenkl sei sehr schlecht, unsicher und nicht überzeugend gewesen und habe dem gegnerischen Anwalt gewissermaßen die Bühne überlassen. Dieser habe – unter Verweis auf die enorme Papierverschwendung – die Sache als das „übliche Literatengezänk“ abgetan. Die Justiz habe wichtigere Dinge zu tun. „Man hatte den Eindruck, daß beide Rechtsanwälte heilfroh sein würden, wenn sie die Sache, die ihnen wohl über den Kopf wuchs, endlich los wären!“ (68.77). Samek teilte Fraenkl daraufhin mit, „dass der vorläufige Ausgang des Prozesses Herrn Kraus nicht befriedigt hat“ – es handle sich um eine „kulturpolitische Angelegenheit“, deren Wichtigkeit Fraenkl als Leser der Fackel „gewiss ermessen“ könne (68.84). Kraus, über den Ausgang enttäuscht, setzte seinen kulturpolitischen Kampf fort. Fraenkl wurde als Anwalt künftig nicht mehr konsultiert.
68.1 Brief Samek an Justizrat Viktor Fraenkl
3. Januar 1927
68.2 Brief Justizrat Viktor Fraenkl an Samek
6. Januar 1927
68.3 Brief Samek an Justizrat Viktor Fraenkl
28. Februar 1927
68.4 Brief Justizrat Viktor Fraenkl an Samek
2. März 1927
68.5 Brief Samek an Justizrat Viktor Fraenkl
4. März 1927
8. März 1927
68.7 Brief Justizrat Viktor Fraenkl an Samek
13. März 1927
68.8 Brief Samek an Justizrat Viktor Fraenkl
16. März 1927
16. März 1927
keine Orte
keine Klassifikation
keine Angaben
68.9 Brief Samek an Gerichtskasse Charlottenburg
16. März 1927
29. April 1927
68.11 Zeitungsartikel aus: Berliner Tageblatt, Nr. 192
24. April 1926
keine Orte
keine Klassifikation
keine Angaben
68.12 Zeitungsartikel aus: Die Fackel, Nr. 717-723
April 1926
keine Orte
keine Klassifikation
keine Angaben
68.13 Zeitungsartikel aus: Die Fackel, Nr. 735-742
Oktober 1926
keine Orte
keine Klassifikation
keine Angaben
68.14 Brief Samek an Justizrat Viktor Fraenkl
13. Mai 1927
68.15 Brief Justizrat Viktor Fraenkl an Samek
15. Mai 1927
68.16 Brief Samek an Heinrich Fischer
21. Mai 1927
68.17 Brief Samek an Justizrat Viktor Fraenkl
23. Mai 1927
68.18 Brief Heinrich Fischer an Samek
23. Mai 1927
68.18 Abschrift von vier Gedichten von „Gottlieb“
23. Mai 1927
68.19 Brief Justizrat Viktor Fraenkl an Samek
27. Mai 1927
68.20 Brief Samek an Justizrat Viktor Fraenkl
31. Mai 1927
68.21 Brief Samek an Heinrich Fischer
31. Mai 1927
68.22 Brief Heinrich Fischer an Verlag Die Fackel
31. Mai 1927
68.22 Abschrift von 17 Gedichten von „Gottlieb“
31. Mai 1927
68.23 Brief Heinrich Fischer an Samek
1. Juni 1927
68.24 Brief Justizrat Viktor Fraenkl an Samek
2. Juni 1927
68.25 Brief Samek an Justizrat Viktor Fraenkl
13. Juni 1927
17. Juni 1927
23. Juni 1927
68.28 Brief Justizrat Viktor Fraenkl an Samek
24. Juni 1927
68.29 Brief Justizrat Viktor Fraenkl an das Amtsgericht Charlottenburg
24. Juni 1927
68.30 Brief Justizrat Viktor Fraenkl an Samek
7. Juli 1927
68.31 [Benachrichtigung] des Amtsgerichts Charlottenburg (G.Z. 44. B. 222.27)
7. Juli 1927
keine Orte
keine Klassifikation
keine Angaben
68.32 Brief Samek an Justizrat Viktor Fraenkl
8. Juli 1927
68.33 Brief Justizrat Viktor Fraenkl an Samek
10. Juli 1927
21. Juli 1927
68.35 Brief Samek an Heinrich Fischer
27. Juli 1927
68.36 Brief Heinrich Fischer an Samek
28. Juli 1927
68.37 Brief Heinrich Fischer an Samek
12. August 1927
68.38 Brief Justizrat Viktor Fraenkl an Samek
22. August 1927
68.39 Brief Samek an Justizrat Viktor Fraenkl
6. September 1927
24. April 1926
keine Orte
keine Klassifikation
keine Angaben
68.41 Brief Justizrat Viktor Fraenkl an das Amtsgericht Charlottenburg
14. September 1927
68.42 Brief Justizrat Viktor Fraenkl an Samek
23. September 1927
68.43 Brief Justizrat Viktor Fraenkl an Samek
24. September 1927
16. September 1927
26. September 1927
68.46 Brief Justizrat Viktor Fraenkl an Samek
28. September 1927
68.47 [Benachrichtigung] des Amtsgerichts Charlottenburg (G.Z. B.2 27)
28. September 1927
keine Orte
keine Klassifikation
keine Angaben
68.48 Brief Samek an Justizrat Viktor Fraenkl
4. Oktober 1927
68.49 Brief Samek an Sigismund von Radecki
5. Oktober 1927
68.50 Brief Justizrat Viktor Fraenkl an Samek
5. Oktober 1927
68.51 Postkarte Sigismund von Radecki an Samek
7. Oktober 1927
68.52 Brief Sigismund von Radecki an Samek
11. Oktober 1927
68.52 „Prozess Tappert-Kempner (Kerr)“ von Sigismund von Radecki
11. Oktober 1927
68.53 Brief Kraus an das Landesgericht für Strafsachen I Wien
11. Oktober 1927
68.54 Brief Sigismund von Radecki an Samek
19. Oktober 1927
68.55 Brief Samek an Sigismund von Radecki
19. Oktober 1927
68.56 Brief Sigismund von Radecki an Samek
21. Oktober 1927
68.57 Brief Samek an Justizrat Viktor Fraenkl
26. Oktober 1927
68.58 Brief Samek an Sigismund von Radecki
26. Oktober 1927
68.59 Brief Justizrat Viktor Fraenkl an Samek
28. Oktober 1927
68.60 Brief Justizrat Viktor Fraenkl an Samek
3. November 1927
68.61 Brief Samek an Justizrat Viktor Fraenkl
4. November 1927
68.62 Schriftsatz in Sachen Kraus ./. Kerr (Kraus an das Amtsgericht Charlottenburg, G.Z. B.2 27)
29. Oktober 1927
68.63 Brief Samek an Justizrat Viktor Fraenkl
7. November 1927
68.64 Zeitungsartikel aus: Berliner Tageblatt
14. August 1927
keine Orte
keine Klassifikation
keine Angaben
68.64 Abschrift des Artikels „Über die Wiener Küche“ von Victor Auburtin
14. August 1927
keine Orte
keine Klassifikation
keine Angaben
68.65 Zeitungsartikel aus: Berliner Tageblatt
2. November 1927
keine Orte
keine Klassifikation
keine Angaben
68.65 Abschrift der Zusendung „Ein Verleger für Else Lasker-Schüler wird gesucht“
keine Orte
keine Klassifikation
keine Angaben
68.65 Brief RA Karl Schönberg an Verlag Die Fackel
1. November 1927
68.66 Brief Justizrat Viktor Fraenkl an Samek
10. November 1927
68.67 Brief Samek an Justizrat Viktor Fraenkl
19. November 1927
68.68 Brief Justizrat Viktor Fraenkl an Samek
15. Dezember 1927
68.69 Brief Samek an Justizrat Viktor Fraenkl
23. Dezember 1927
68.70 Brief Samek an Sigismund von Radecki
23. Dezember 1927
68.71 Brief Justizrat Viktor Fraenkl an Samek
30. Dezember 1927
68.72 Brief Samek an Sigismund von Radecki
2. Januar 1928
68.73 Postkarte Sigismund von Radecki an Samek
6. Januar 1928
1. Februar 1928
68.75 Brief Samek an Justizrat Viktor Fraenkl
28. Januar 1928
68.76 Brief Justizrat Viktor Fraenkl an Samek
2. Februar 1928
68.77 Brief Sigismund von Radecki an Kraus
3. Februar 1928
68.78 Brief Samek an Sigismund von Radecki
7. Februar 1928
68.79 Brief Sigismund von Radecki an Samek
8. Februar 1928
68.80 Zeitungsartikel aus: Die Stunde
5. Februar 1928
keine Orte
keine Klassifikation
keine Angaben
68.81 Zeitungsartikel aus: Vorwärts Berlin
4. Februar 1928
keine Orte
keine Klassifikation
keine Angaben
68.82 Brief Samek an Die Stunde (verantw. Red. Marc Siegelberg)
7. Februar 1928
68.83 Brief Justizrat Viktor Fraenkl an Samek
15. Februar 1928
68.84 Brief Samek an Justizrat Viktor Fraenkl
17. Februar 1928
68.85 Brief Justizrat Viktor Fraenkl an Samek
19. Februar 1928
68.86 Brief Samek an Justizrat Viktor Fraenkl
20. Februar 1928
68.87 Brief Justizrat Viktor Fraenkl an Samek
21. Februar 1928
68.88 Brief Justizrat Viktor Fraenkl an RA Wolfgang Heine
68.89 Brief Justizrat Viktor Fraenkl an Samek
23. Februar 1928
68.90 Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg
24. Februar 1928
68.91 Brief Justizrat Viktor Fraenkl an Samek
23. Februar 1928
68.92 Brief Verlag Die Fackel an Justizrat Viktor Fraenkl
7. März 1928
68.93 Brief Samek an Justizrat Viktor Fraenkl
14. März 1928
68.94 Brief Samek an Justizrat Viktor Fraenkl
24. April 1928
68.95 Brief Justizrat Viktor Fraenkl an Samek
1. Mai 1928
68.96 Brief Justizrat Viktor Fraenkl an Samek
4. Mai 1928