68.63 Brief Samek an Justizrat Viktor Fraenkl

Materialitätstyp:

  • Durchschlag

Sender

Oskar Samek
Schottenring
I., Innere Stadt
Datum: 7. November 1927
Betreff: Kraus – Kerr.
Diktiersigle: Dr.S./Fa.

Empfänger

An: Wohlgeboren | Herrn Justizrat Victor Fraenkl
Potsdamerstrasse 86b
Berlin W 56
Seite von 2

Sehr geehrter Herr Justizrat!

Als Nachtrag zu meinem Schreiben vom 14. Novem-ber 1927 übersende ich Ihnen

1.) einen Ausschnitt aus dem ‚Berliner Tageblatt‘ vom 14. August1927, enthaltend ein Feuilleton „Ueber die Wiener Küche. Von VictorAuburtin“, zur Charakterisierung der gemeinen Art des ‚Berliner Tage-blatt‘ in der Polemik gegen Karl Kraus, die absolut nicht sachlichist, sondern sich in derartigen widerlichen Beschimpfungen undSchmähungen ausdrückt. Herr Kraus lässt Sie bitten, wenn Sie der Meinungsind, dass es angezeigt ist, gegen Herrn Auburtin und den verantwort-lichen Redakteur eine separate Klage auf Ehrenbeleidigung einzu-bringen,

2.) einen weiteren Ausschnitt aus dem ‚Berliner Tageblatt‘ un-bekannten Datums, wahrscheinlich aus dem November 1927Ein Verlegerfür Else Lasker-Schüler wird gesucht“, dazugehörig ein Schreiben desDr. Schönberg, Notar in Berlin und ein diesem Schreiben beigelegter Auf-ruf „Ein Verleger für Else Lasker-Schüler wird gesucht“. Sie ersehenaus der Vergleichung des Originalaufrufes und des Abdruckes im ‚Ber-liner Tageblatt‘, dass absichtlich die Stelle „ Wer über die künst-

lerische Bedeutsamkeit ihres Werkes noch belehrt sein will, magnachlesen, was Karl Kraus im Aprilheft der „Fackel“ (No. 757/758)hierzu geschrieben hat“. Es möge dies als Charakterisierung dafürdienen, für wie notwendig es das ‚Berliner Tageblatt‘ hält, den inBerlin unbekannten Herrn Karl Kraus nicht bekannt zu machen, wiesehr aber dem ‚Berliner Tageblatt‘ selbst die Person des Herrn KarlKraus bekannt sein muss, wenn sie es für notwendig hält, einen ihnbetreffenden Passus in einer Zuschrift zu unterdrücken. Es möge diesvielleicht auch ergänzend als Beweismittel dafür dienen, ob esglaubhaft ist, dass Herr Kerr ein Heft der „Fackel“ erst 3 Monatespäter zu Gesicht bekommen hat. Nach meinem Dafürhalten ist es beieiner solchen Gegnerschaft unglaubwürdig,

3.) ein Kostenverzeichnis, in welchem die Honoraransätze nachdeutschem Tarif zu machen ich Sie bitte.

Herr Kraus wünscht auch, dass ich Ihnen seine Stellung-nahme zu einem eventuellen Vergleichsangebot des Herrn Kerr mitteile.Er wäre zu einem Vergleich unter folgenden Bedingungen bereit:

a) Kerr veröffentlicht eine Zurücknahme der Beleidigung imBerliner Tageblatt

b) bezahlt zu Gunsten der deutschen Kriegsblinden einen Sühne-betrag. Die Festsetzung der Höhe bleibt Ihnen überlassen,

c) Kerr bezahlt sämtliche Kosten.

Ich zeichne mit ergebener kollegialerRekommandiert, Express. Hochachtung

6 Beilagen.

Betr. KrausKerrexp. am 7. Nov. 1927.